Zeitungskopf

Editorial

Liebe Leserinnen und Leser,

das 24. Preetzer Papiertheatertreffen ist vorüber. Dieses Jahr konnten wir 6 Rezensenten gewinnen. Damit konnte nicht nur jedes Stück des Papiertheatertreffens gewürdigt werden, für mehrere Stücke kann damit der Eindruck von mehreren Blickwinkeln an die Leserschaft weitergegeben werden. Schwelgen wir alle in den eigenen Erinnerungen und freuen uns auf das Jubiläumstreffen im nächsten Jahr.

Einen Bericht über ein Unterrichtsmodul zum Thema Papiertheater von Dr. Christian Kunz aus dem Dr. Josef Raabe Verlag Stuttgart stellt Uwe Warrach vor. Man sieht auch ein vermeintlich veraltetes Medium kann auch noch im 21. Jahrhundert erfolgreich im Unterricht eingesetzt werden.

Viel Vergnügen bei der Lektüre!

(mf)

 

INHALT – Nr. 24 – Oktober 2011

24. Preetzer Papiertheatertreffen             9.-11. September 2011 von Willers Amtrup, Brigitte und Lothar Rohde, Olaf Christensen, Iris Förster und Uwe Warrach
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Chancen eines vermeintlich veralteten Mediums
von Uwe WarrachSeite 3

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Das PapierTheater Nr.24                           SEITE 2                           Oktober 2011

Festival

24. Preetzer Papiertheatertreffen 9. - 11. September 2011

Ein Festivalbericht von Willers Amtrup, Brigitte und Lothar Rohde, Olaf Christensen, Iris Förster, Uwe Warrach – Fotos: Rainer Sennewald
 

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„Das Feuerzeug“
Papiertheater Pollidor – Barbara und Dirk Reimers, Preetz

Barbara, Dirk und der Hund
Barbara und Dirk Reimers’ Pollidor’s arbeitet diesmal überwiegend mit traditionellen Bildern, nur ihre Hunde sind endlich aus dem wirklichen Leben auf die Bühne gestiegen. Die Geschichte vom Soldat und der Hexe, deren Feuerzeug ihm erst ein kurzfristiges Vermögen einbringt, am Ende die Prinzessin zur Frau, ist ja nicht nur ein Kindermärchen, sondern auch eine Fabel über die Vergänglichkeit der Freundschaft, wenn der Wohlstand nachlässt und vielleicht auch über die unbeirrbare Pflichttreue des Hundes. Die Aufführung ist leise, Hans Christian Andersens Stil angemessen, aber mit mehr Humor als bei dem immer etwas melancholischen Dänen, der diesmal wenigstens ein Happy end zuließ.  Ein liebevoll gestaltetes Bühnenbild versetzt uns in ein Städtchen seiner sympathischen Heimat. Live gesprochen, decken die verstellten Stimmen alle Mitwirkenden perfekt ab; ausnehmend viel Spaß scheinen Dirk dabei die Hunde zu machen, besonders der große.

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Spannung, Stille und Applaus
von Brigitte und Lothar Rohde



„The Pear Tree in the Field“
Hana Voriskov� and Muziga – Hana Voriskov�, Helen Vedralov�, Jiri Vedral, Tschechien

Mit Spannung erwarten wir am Freitagabend unsere erste Aufführung beim 24. Papiertheatertreffen. Zunächst sind wir überrascht, dass weder Hana noch ein Papiertheater im Stall, einem idealen Spielort, zu sehen sind.  Stattdessen singen und spielen Helena Vedralov� (Gesang, Geige)  und Jiri Vedral (Gitarre) vom Liebesleid eines jungen  Mädchens.  Jetzt erscheint Hana und zeigt in Bänkelsängermanier den deutschen Text.
Was dann folgt, verzaubert die Betrachter nachhaltig. Neun Lieder werden mit variantenreichen Spieltechniken auf rohen Kartonbühnen oder einem auf dem Kopf getragenen Zylinder in Bilder umgesetzt. Die Schlichtheit der Strichfiguren und Hanas Körperspiel verstärken die dargestellten Liebeskonflikte.
Zu dem Lied  „Mein Herz ist in großen Kummer geraten …. Es schmerzt mich wie ein Messerstich, daß ich dich nicht haben kann“, zerschneidet sie mit einem Messer die Kartonbühne zwischen den Liebenden.
Eine Liebe gerät in Gefahr, durch Klatschweiber zerstört zu werden.  Sprechblasen fliegen aus dem Schandmaul  der einen  in das Ohr der Nachbarin. Die roten Liebesherzen färben sich  schwarz. Erst als Mund und Ohr mit Papier verstopft werden, kann die Liebe erneut erblühen. Die Liebenden wenden sich wieder einander zu.
Die Symbolik des Don-Juan-haften Jungfernkranzsammelns erzählt von weiteren Liebesfreuden und Liebesleiden.
Ein Reigen einfallsreicher Szenen mit stimmiger Musikbegleitung macht uns still und lässt uns laut applaudieren. 

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„Sherlock Holmes: Das Familien-Ritual“
Haases Papiertheater – Sieglinde und Martin Haase, Remscheid

Gruselstimmung bei Blitz und Donner und flackerndem Kaminfeuer verbreiten Martin und Daniel Haase mit dem Kriminalstück nach Sir Arthur Conan Doyle. – Von wegen: „Mein Name ist Ha(a)se…“ - die beiden wissen genau, wie sie Sherlock Holmes und Dr. Watson Licht ins Dunkel bringen lassen – und machen es spannend, mit schönen selbstentworfenen Szenenbildern!
Auf offener Bühne sieht der Zuschauer das rätselhafte Verhalten des Butlers Brunton,die –ob seines Verhaltens ratlose- Lady Musgrave, die hilflosen Polizeibeamten und die gewitzten Spurensucher Holmes und Watson.
Wunderbar:  die Szene auf der Brücke bei der Suche im Fluss mit typisch englischem Nebel (aus Haases Nebelmaschine üppig produziert..), die Situation im Restaurant mit dem Tee servierenden Dresdner Schokoladenmädchen oder die Beweisaufnahme im Schlossgarten mit Lupe und Messlatte bei Vogelgezwitscher. Und nicht zu vergessen: Die Wendeltreppe, die in beeindruckender Draufsicht zur Lösung des Falles in den Keller hinab führt.
Bei den zum Teil langandauernden Szenenwechseln werden die Zuschauer bei geschlossenem Vorhang und spannender Musik zum „Lauscher an der Wand“.
Der Inhalt eines aus dem Fluss gefischten Beutels -rostige Metallstücke und bunte Glasscherben- entpuppt sich letztendlich als die lange vermisste Krone Englands. Reizvoll ist auch das Schattentheater, das den Zuschauer bei der Rekonstruktion des Falles dabei sein lässt, wenn der Butler Brunton von seiner Geliebten, dem Hausmädchen, umgebracht wird, als
er ihr Geld aus der Schatzkiste reicht und sie ihn - aus enttäuschter Liebe- ermordet und im Keller zurücklässt.
Wie schön, dass bei Haases das Papiertheater-Spiel zum Familien-Ritual wird!

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„Die Sache mit dem Stern“
Papieroper am Sachsenwald – Uwe Warrach, Reinbek

Noch ehe die drei Weisen aus Syrien, Kaspar, Melchior und Balthasar, das Kulissengebirge durchziehen, nimmt der Zuschauer entzückt die glitzernde Sternenszenerie über dem Morgenland wahr und wird von einer wunderbar wehmütig-verheißungsvollen Musik mit ins Geschehen gezogen.
Man schreibt das Jahr Null, die drei Astrologen folgen einer Prophezeiung, das biblische Volk einer Aufforderung zur Volkszählung. Es geht turbulent zu auf Straßen und Plätzen. Die drei Weisen, müde von der langen Reise und voller Zweifel an ihrer Vorhersehung, geraten in den Strudel der biblischen Geschichte.
In farbenprächtigen Bildern zeigt Uwe Warrach lebhaftes Basartreiben, Hirten mit ihren Herden und schließlich die Stadt Bethlehem, die keinen Platz mehr hat für Herbergssuchende. Immer wieder dabei: die orientalisch-geheimnisvolle Musik  -  und von Anbeginn: der Stern, dem die weisen Männer nachfolgen, der Stern, der ihnen den Weg zeigen soll zum neuen König der Juden, dem Messias.-
„Vielleicht ist alles nur eine mittelmäßige Supernova, alles nur Zufall?“ fragen sie sich. „Die Astrologie ist keine Wissenschaft“, sagt Balthasar, „die haben wir uns ausgedacht. Sterne und ihre Kreise sind Gottes Werk. Den Stand der Sterne zu berechnen ist Mathematik.“
Immer wieder deckt sich das Erlebte zur Verwirrung oder Bestätigung der drei Weisen mit alttestamentarischen Vorhersagen.
Sie wundern sich über die Hirten des nachts auf dem Felde („Viehmarkt, mitten in der Nacht?“), sie werden auf die Heilige Familie aufmerksam, auf Josef und “wie war doch gleich ihr Name?“, die  ihre letzte Habe für eine Bleibe in einem Stall ausgeben. Das erregt ihr Mitleid,  und es begibt sich also, dass Jesus („das pfiffige Kerlchen“) und seine Eltern („Ob der Alte wohl der Vater ist?“) von ihnen beschenkt werden mit Weihrauch und Myrrhe, die die weisen Männer eh‘ nicht wieder mit nach Hause nehmen wollen („Wir sagen, wir hätten den neuen König gesehen und beschert.“).
Balthasar trifft auf Lukas (vom “Bethlehemer Generalanzeiger“), der auf Quirinius schimpft und vor Herodes warnt. Kaspar und Melchior,  die die Gaben in den Stall gebracht haben, kommen wieder mit der Bitte Marias um ein Horoskop für ihren kleinen Sohn. -   Voller Selbstzweifel greift Balthasar nach der Hand des Kleinen. Er sieht denselben Stern, der ihn und seine Gefährten nach Bethlehem geführt hat und weissagt Maria, dass aus ihrem kleinen Sohn einmal ein „Shooting Star“ werden wird, „ein Erwählter mit großer Message, etwas eigensinnig und dickköpfig.“- Seinen Begleitern offenbart er noch, was er der glücklichen Mutter nicht sagen wollte: dass aus dem Jungen ein wunderlicher Herumtreiber, Scharlatan, Raufbold wird und, dass Soldaten ihn schließlich holen werden.—Balthasar will nicht wissen, wie Jesu Schicksal weiter verläuft.
In Uwe Warrachs Geschichte werden die drei Sterndeuter nicht so recht schlau aus dem Erlebten und beschließen, es für sich zu behalten.
Es geht eben vieles über den menschlichen Horizónt.

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La Belle au Bois dormant Version Mode et Travaux 1979
Compagnie Volpinex – Fred Ladoué, Frankreich

„Die Zeit, die ist ein sonderbar Ding … auf einmal spürt man nichts als sie.“   Hofmannsthals Worte aus dem „Rosenkavalier“ schweben über  Fred Ladoues Adaption von Dornröschen,  das  als  „La belle au bois dormant“ von Charles Perrault lange vor der Druckfassung der Brüder Grimm erschien. Fred verspricht in charmantem Französisch, nachdem er im Rüschenhemd theatralisch die Zuschauer empfängt, eine Präsentation von 3 Akten zu je 5 Minuten. Damit wir seine Vorgabe überprüfen können, stellt er eine Eieruhr. Nach jedem Klingeln wird der nächste Akt ausgerufen. Die eigentliche Handlung wird zunächst von 3 Models aus Modezeitschriften von 1979 bestimmt. Sie zieren sich als Feen vor einem grünen Bühnenhintergrund. Life aus 2 Kameras, in greenbox-Technik zusammengesetzt, wird das Bild auf eine Leinwand gebeamt. Bewundernswert ist die Souveränität, mit der der Hintergrund als Leporello und die 3 Feen im Vordergrund gleichzeitig für die jeweilige Kamera bewegt werden. Dazu noch die durch pantomimisches Gestikulieren verstärkten französich-deutschen Erläuterungen. Die Zuschauer verfolgen dauerschmunzelnd mit hoher Aufmerksamkeit diese „comedie francaise“.
Wie bekannt, fällt Dornröschen in einen 100-jährigen Schlaf. Diese 100 Jahre zählt Fred genüsslich hoch,  kommt aber nur bis 80, da kündigt der Wecker das Ende der vorgegebenen Zeit an.
(„Auf einmal spürt man nichts als sie.“) Obwohl Dornröschen noch schläft, werden wir eindringlich aufgefordert, das Theater nun zu verlassen.
Wir bleiben stur und erzwingen einen vierten Akt ohne Zeitlimit. Endlich durchdringt ein Prinz  problemlos die Hecke aus Blumentöpfen und weckt seine Prinzessin. Diese stellt erschreckt  fest, dass ihr Kleid nach 100 Jahren nicht  mehr der Mode entspricht und zieht sich für das Happy-End um.
Die Zuschauer applaudieren begeistert dieser erfrischenden Interpretation, wenn auch das Papiertheater wesentlich durch elektronische Präsentationsmedien unterstützt wurde.

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Olaf Christensen – Aus der Sicht eines Papiertheaterspielers:

„Vasantasena“
Römers Privattheater – Motoko und Horst Römer, Wildeshausen

Bollywood in Preetz ist das, was den Zuschauer anspringt, wenn sich der Vorhang von Römers Privattheater zu „Vasantasena“ öffnet.
Dieses Stück ist in mehrfacher Hinsicht eine Besonderheit, die das papiertheatertechnische Können der Familie Römer unter Beweis stellt.
Da ist zunächst das zehnaktige Drama mit verworrenem Inhalt aus dem altindischen Sanskrit, das auf 45 Minuten in Zeit und Umfang reduziert und in eine flüssige Handlung transponiert  werden musste.
Räumliche Tiefenwirkung der wie die Figuren selbst gestalteten Kulissen lassen das Stück zu einem optischen Genuss werden, der durch die ein paar genau auf den Punkt eingesetzte mechanische Spezialeffekte in bester Manier ergänzt wird.
Dazu gehört beispielsweise das immer mal wieder auftauchende „Oben-Ohne“- Damenballett, dem der begonnene Bauchtanz bis auf die Schlussszene immer wieder versagt bleibt.
Passend zur optischen Inszenierung der akustische Eindruck, bei dem gekonnt mit Musik und der passenden - bisweilen recht geschraubt klingenden - Sprache jongliert wird.
Neben der technischen Ausstattung überzeugt auch die Dramaturgie, die die ineinander geflochtenen Handlungsstränge der Originalgeschichte nachvollziehbar zusammenführt und die Spannung bis zum Höhepunkt und Schluss der Geschichte stets zu steigern in der Lage ist.
Das Ende der Geschichte um Liebe, Intrigen, Ränke und Freiheitskampf ist dann auch wie ein echter Bollywood-Film: das Gute siegt, viele Figuren präsentieren sich glücklich im Schlussbild – und in diesem Fall auch im Zuschauerraum, in dem der Applaus die Begeisterung des Publikums deutlich zum Ausdruck bringt.

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„Sherlock Holmes: Das Familien-Ritual“
Haases Papiertheater – Sieglinde und Martin Haase, Remscheid

„Sehen Sie mal, was ich gefunden habe!“
Mit diesen Worten leitet Meister Haase, durch Calabash-Pfeife und Holmes-Mütze als Meister-Detektiv kenntlich, das Stück ein und übergibt seinem Assistenten Dr. Watson einen Sack mit Erinnerungsstücken und das Wort.
Der Vorhang des mit zwei Hasenköpfen dekorierten Urania-Proceniums öffnet sich, um den Blick auf einen gewitterumtosten englischen Herrensitz freizugeben, dessen räumliche Tiefenwirkung nur noch von dem realistisch dargestellten Gewitter optisch und akustisch übertroffen wird.
Schon gleich in der ersten Szene wird der Zuschauer gewahr, dass ihn hier eine Fülle von Spezialeffekten erwartet, die von Kaminfeuer über dichten Nebel bis hin zum Perspektivwechsel einer sich hinab windenden Wendeltreppe geht, die der Zuschauer mit den Protagonisten aus der Vogelperspektive hinuntergeht.
Der technische Aufwand hat seinen Preis im nicht allzu rasanten Kulissenwechsel, der dem Zuschauer aber durch interessante Zwischenvorhänge und Hörspielsequenzen verkürzt wird.
Die für’s Papiertheater herausragende Inszenierung mit fotorealistischen Figuren, stimmigen Kulissen und der akustischen Einbindung der Familie Haase als Sprecher in der ebenfalls hochwertigen Tonaufnahme, bilden den Rahmen, in dem Sherlock Holmes einen seiner spannendsten Kriminalfälle in nur 30 Minuten lösen lässt.
Aber nicht nur auf und hinter der Bühne spiegelt sich die Professionalität von Haases Papiertheater wieder, sondern beim Zuschauerservice, wo auf Wunsch neben der üblichen Kurzfassung nach dem Stück auch noch einmal eine Fall-Lösung in englischer Sprache gereicht wird.
Wer wissen möchte, was das Verschwinden des Butlers, der hysterische Zusammenbruch des Zimmermädchens, das Familienritual selbst und die englische Geschichte miteinander zu tun haben, dem sei diese Aufführung wärmstens empfohlen.

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„Beate und das Biest“
Svalegangens Dukketeater – Per Brink Abrahamsen, Sören Mortensen, Dänemark

„Beate und das Biest“ ist das bekannte Märchen um die Schöne mit der entsprechenden hässlichen Kreatur in der zweiten Hauptrolle, von dem in der Inszenierung auch nicht wesentlich – abgesehen von Beginn und Ende in einem Museumsschloss der Gegenwart - abgewichen wird.
Viel Aufwand betreibt das Svalegangens Dukketeater, um mit extra gefertigten Kulissen und Figuren die Geschichte mit einer exzellenten Tiefenwirkung lebendig werden zu lassen.
Neben einer das Bühnenbild in bester Weise unterstützenden Lichtsteuerung sind es auch die vielen kleinen Nebeneffekte wie das Treppensteigen, das Gehen durch Türen und die z. T. beweglichen Arme der Figuren, die das Anschauen des Stück zu einem optischen Leckerbissen machen.
Für den Ton wurden auf dem entsprechenden Träger nicht weniger als acht Stimmen vereint.
Da die deutsche Erzählstimme die dänische Original-Tonspur in fast gleicher Lautstärke überlagert, ist es leider bisweilen akustisch schwierig zu folgen.
Dafür aber sind die einzelnen Szenen ausgezeichnet gestaltet, so dass sich der Handlungsfluss zumindest optisch mühelos verfolgen lässt.
Ein wenig langatmig geriet die wiederholte Kernfrage des Biests an die Schöne, ob sie es nicht heiraten wolle, da jedes Mal erst ein Kulissenwechsel vollzogen wird.
Insgesamt aber eine handwerklich ausgezeichnet umgesetzte Theateraufführung, die sehenswert ist.

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„Die Sache mit dem Stern“
Papieroper am Sachsenwald – Uwe Warrach, Reinbek

„Die Sache mit dem Stern“ verhält sich natürlich aus Uwe Warrachs Sicht ganz anders als in der offiziellen Geschichtsschreibung.
Doch bevor er sich auf seiner Tischbühne anschickt, die Geschichte aus dem Jahre Null richtig zustellen, erfolgt zunächst der kurze Hinweis, dass Papierkrippen wohl die eigentliche Keimzelle des Papiertheaters sind.
Die Richtigkeit seiner These untermauert Uwe Warrach dann auch gleich mit seiner Art, altdeutsche Kripppenfiguren und selbst gemalte Kulissen zu einer Geschichte zu verbinden, die aus den Heiligen Drei Königen drei Astrologen macht, an denen der Selbstzweifel hinsichtlich des Auftauchens des neuen Königs und Messias nagt.
Die Inszenierung zusammen mit der musikalischen Untermalung „Auf einem Persischen Markt“ lässt einen schnell in die Geschichte eintauchen und mit den drei Hauptdarstellern fühlen.
Abgespannt und ohne den nötigen Erfolgsglauben wollen die drei nur wieder zurück nach Hause und dem Chaos der gerade stattfindenden Volkszählung entgehen.
Nach einer mit dem typischen Warrach’schen Wortwitz geführten Diskussion ist man gewillt, einer armen Tischlerfamilie mit frisch entbundenem Nachwuchs die für den neuangekommenen Messias gedachten „Präsentkörbe“ zu überlassen und sich schleunigst auf den Heimweg zu machen.
Man wird die Geschenke los, seitens der Mutter noch zur Erstellung eines nur bedingt positiven Horoskops für den neuen Erdenbürger genötigt und macht sich wieder auf die lange Reise durch die von Uwe Warrach stimmungsvoll in Szene gesetzte nächtliche Wüste unter glänzendem Sternenhimmel, bis einen das fahle Neonlicht des Klassenzimmers zurück in die Preetzer Wirklichkeit holt.
Ein gelungenes Papiertheaterstück, dessen Text durchaus auch die Hörspiel-Landschaft bereichern würde.

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„The Mummy's Purse“
Robert Poulter’s New Model Theatre

Schon der Titel spiegelt mit Wortwitz jenen Humor wider, für den Robert Poulter bekannt ist.
Es geht sowohl um den Fluch als auch tatsächlich um die Geldbörse einer ägyptischen Königin, deren Grab von zwei Archäologen entdeckt wird.
Die beiden streiten sich um den Ruhm der Entdeckung und der um seine Anerkennung Gebrachte entdeckt die Geldbörse eben jener Königin, die ohne Portemonnaie nicht weiter im Jenseits verweilen kann und die darum auch den Geldbeutel mit einem entsprechenden Fluch belegt hat.
Diesen Fluch verwendet der Archäologe gegen seinen Kontrahenten, denn aus dem Totenreich zurück und begleitet von drei Totengöttern sinnt die Königin auf Rache und Wiedererlangung der Geldbörse. Letztere wiederum wandert durch viele Hände und es entspannt sich auf Robert’ offener Bühne eine Hetzjagd um die halbe Welt, bei der jeder Inhaber der Geldbörse gewaltsam zu Tode kommt.
Die Jagd ist live zu erleben, denn die mehr als ein Dutzend Szenen rauschen in den gut 30 Minuten der Aufführung am Auge des Zuschauers nur so vorbei. Die Vorankündigung versprach einen „raschen“ Kulissenwechsel – „rasant“ trifft es eher, zumal der Umbau ohne Pause während des Stücks erfolgt.
Was an sich Stoff für den klassischen Horrorfilm wäre, wird bei Robert zu einer Komödie der besonderen Art. Es mischt sich typisch britischer Humor und Poulter’sche Wortgewalt zu einem Gesamtkunstwerk besonderer Güte, das mit Robert’s unvergleichlichen Pinselstrich in Figuren und Kulissen auch optisch zum Genuss wird.
Robert Poulter beherrscht sein Theater, bei dem auch nicht mit technischen Tricks von sich öffnenden Türen bis hin zu einem Flugzeug-Crash gespart wird, virtuos wie ein Musiker sein Instrument.
Als am Ende dann nach Irrungen und Wirrungen die Königin wieder ins Totenreich zurückgekehrt, ist die Welt wieder in Ordnung und um eine beeindruckende Papiertheater-Vorstellung reicher.

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Zum ersten Mal beim Preetzer Treffen von Iris Förster

Diesmal mache ich es: Ich fahre 800 km weit in den Norden um mit dabei zu sein. Acht Aufführungen an zwei Tagen, viele Kontakte, nette Gespräche und zahlreiche Impulse und Anregungen für eigene Papiertheatervorführungen. Es hat sich gelohnt. Preetz, ich komme wieder!

„Die Nachtigall“
Joli's Papiertheater, Lise und Jochen Dybdahl-Müller, Vilsiburg

Hier soll ja ein höchst merkwürdiger Vogel sein, welcher Nachtigall genannt wird!
Wer kennt es nicht, das Märchen von Hans-Christian Andersen „Des Kaisers Nachtigall“: Der chinesische Kaiser hört den Gesang der Nachtigall, die schon lange in seinem Garten lebt, und der Gesang rührt ihn zu Tränen. Er holt die Nachtigall in seinen Palast und lässt sie in einem goldenen Käfig leben und morgens und abends in Begleitung des gesamten Hofstaats ausfliegen. Als der chinesische Kaiser vom japanischen Kaiser ein Paket bekommt, in dem er eine künstliche Nachtigall vorfindet, verliert er urplötzlich das Interesse an der echten Nachtigall und verweist sie des Landes. Erst in seinen schlimmsten Stunden, krank und dem Tod nahe, erinnert er sich wieder an den Vogel, der mit seinem wunderschönen Gesang den Tod vertreibt und dem Kaiser wieder zu wahrer Lebensfreude verhilft.
Lise und Jochen Dybdahl-Müller aus Vilsiburg in Niederbayern haben sich einen traditionellen Stoff vorgenommen und mit selbst entworfenen Figuren und Bühnenbildern umgesetzt. Seitlich des Theaters stehen rechts und links Paravents, die mit weißem Papier bespannt sind, so dass man die Bewegungen der Theaterspieler schemenhaft verfolgen kann. Die Texte werden zum Spiel gesprochen, leider ist bei der Premiere die Aufregung noch so groß, dass es zu einigen Versprechern kommt. Die Geschichte erschließt sich dem Zuschauer durchaus, wenn auch der Knackpunkt – das Verstoßen der Nachtigall durch den Kaiser - nicht deutlich genug herausgearbeitet wird. Umbaupausen wie auch das ganze Stück werden mit chinesischer Musik untermalt. Die Bühnenbilder wurden aus chinesischen Kunstbüchern mit Ansichten des Kaiserpalasts kopiert, die durchaus eine optische Wirkung erzielen. Allerdings fehlt es dem ganzen Stück (noch) an Fluss und Ausdruckskraft. Nun ist die erste Aufführung am Freitagabend sicherlich nicht der dankbarste Termin, den man sich beim Festival vorstellen kann. Die Spannung ist auf dem Höhepunkt, die Nerven liegen blank, das Publikum kommt ausgeruht und mit hohen Erwartungen. Erwartungen, die bei dieser Aufführung leider nicht immer erfüllt wurden.

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Desierto Florido – Kunsthochschule Muthesius, Kiel

Was blüht denn da?
Für alte Hasen ist es ja immer wieder interessant, wie der Nachwuchs das Papiertheater interpretiert. Die Studenten der Muthesius Kunsthochschule in Kiel, Fachbereich Raumstrategien, haben sich unter Professor Dr. Ludwig Fromm in einem Semesterprojekt viel einfallen lassen: Sind da doch vier mehr oder weniger quirlige Wüstenbewohner, die sich mit witzigen Dialogen vom langweiligen Alltag abzulenken suchen und doch nur auf eines warten – auf Regen. Eines Tages sind sie des Wartens überdrüssig und werden selber aktiv: Sie graben Löcher und schauen den Wolken nach, sie machen sich auf die Suche nach dem Regen. Zunächst erfolglos und von gruppendynamischen Prozessen begleitet, letztlich regnet es jedoch stark und immer stärker und die Frage, die der Zuschauer sich am Ende des Stückes stellen muss, ist ob es die vier Kameraden waren, die den Regen hervorgerufen haben oder ob der Regen als Naturereignis zu werten ist. Das ist natürlich im Grunde einerlei, denn das Wesentliche ist die wunderbare Veränderung, die Wüste ist nicht mehr öd und grau, sie blüht in allen Farben.
Mit hohem technischen Aufwand, gesteuert von zwei Computern zeigen uns die Studenten, was heute möglich ist: Regentropfen, -fäden, -wände aus Glasfasersträngen mit einer eindrucksvollen Klangkulisse unterlegt. Lange Wüstenwanderungen an endlosen Kulissenbändern entlang, die durch die halbe Halle gezogen werden, prachtvolle Blütenkränze, die die Farbenpracht der Pflanzenwelt zum Ausdruck bringen. Es ist eindrucksvoll, diesem Schauspiel beiwohnen zu dürfen.
Und dennoch: Das Stück hat mich nicht wirklich begeistert. Die Charaktere haben mich nicht in den Bann gezogen, der Inhalt der Geschichte blieb auf der Strecke. Trotz (oder vielleicht gerade wegen) des großen technischen Aufwands blieb die Geschichte leblos. Leblos wie die Wüste vor dem Regen.

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bilder von der "Eröffnung" des Treffens

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Das PapierTheater Nr.24                           SEITE 3                           Oktober 2011

Papiertheater

Chancen eines vermeintlich veralteten Mediums

von Uwe Warrach

 

 

 
Das klingt schon anspruchsvoll, das Material ist es aber noch mehr, gleichwohl verständlich und klar aufgebaut. Die Texte führen systematisch und aufbauend zum Ziel. Zunächst erfährt man etwas über die Geschichte des Papiertheaters und seinen Platz in der Welt des Bürgertums bis hin zur aktuellen Entwicklung. Über dem Ganzen steht erkennbar die Absicht, spielerisch an Theater und Literatur heranzuführen und gleichzeitig die Kreativität zu wecken: Obwohl das Papiertheater gegenüber Fernsehen und Computer altertümlich wirke, biete es doch eine überraschende Anregung in der modernen Welt. Die Frage klingt an, ob die Pisa-Studien bei ihrer vorwiegend wirtschaftlich und Arbeitsmarkt bezogenen Art an sinnlich-ästhetischen Fähigkeiten vorbeigehen.

Ganz konkret werden sehr verschiedenartige Stoffe aufgerufen, wie der Räuber Hotzenplotz, Molières Eingebildeter Kranke, Das Käthchen von Heilbronn, Schillers Bürgschaft und Der Handschuh sowie eine Lügengeschichte von Münchhausen. Und sie werden bearbeitet:

  • vom Roman zum Drama,
  • Handlungsgestaltung beim Drama,
  • Regeln für den Schauspieler (nach Goethe),
  • dramaturgische Kniffe wie „Mauerschau“ und „Botenbericht“, d.h., dass besonders heikle oder kompliziert darzustellende Handlungsabläufe nur berichtet werden, von einem Beobachtungspunkt aus das Aktuelle, vom Boten das Vergangene.
  • Bau einer Papiertheaterbühne
  • Textgestaltung
  • Planung und Organisation eines Projekts

  • Im Verlauf des Unterrichts wird man wahrscheinlich merken, dass man dem Vorbild des großen Theaters nahe gekommen ist, so wie eben das Modell dem Vorbild und Ziel. Einiges ist gewiss auf der Papiertheaterbühne leichter zu realisieren- da, wo das große Theater aus technischen oder Kostengründen auf das doch eher „unfilmische“ Berichten zurückgreifen muss, können wir hier verhältnismäßig mühelos Katastrophen, Gefechte, fliegende Menschen und allerlei Arten von Zauberei darstellen - man denke nur zum Beispiel an Robert Poulter’s Seeschlachten und dramatische Landschaften.

    Der (zu kürzende) Klassiker wird ebenso präsentiert wie kürzere Stoffe; eine Papiertheateraufführung sollte ja möglichst nicht länger als 45 Minuten dauern, und da eine ganze Oper hineinzustopfen ist jedenfalls keine einfache Sache, aber fürs Publikum bestimmt angenehmer als wenn die volle „Überlänge“ gegeben würde. Wiederum ist es ein besonderes Erlebnis für die Macher, durch diese Arbeit ein Bühnenwerk so gründlich kennen zu lernen wie sonst kaum. Für den Anfang sind Schillers Balladen und Münchhausens Abenteuer nicht die schlechtesten Vorlagen, ebenso wie Märchen. Sehr hilfreich sind bei alledem hier auch die Anleitungen zum Bühnenbau.

    Was DAS PAPIERTHEATER angeht, würden wir uns freuen, mal von praktischen Ergebnissen zu hören, wie übers Papiertheater „die Welt in die Klassenstube“ geholt wurde.



     

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    Ausschnitte aus der Loseblattsammlung


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