Zeitungskopf

Editorial

Liebe Leserinnen und Leser,

vom 1. bis 3. August 2014 fand die Ersten Wolgaster Papiertheatertage statt. Im folgenden finden Sie Bilder und Berichte über die erfolgreiche Premiere auf der Insel Usedom. Dieses Heft ist so angelegt, dass wir neue Berichte  hinzufügen werden,sobald uns neue erreichen. Es lohnt sich also in ein paar Tagen noch einmal vorbeizuschauen.


Viel Vergnügen bei der Lektüre!

(mf)

 

INHALT – Nr. 38 – August 2014

Sonderheft: Erste Wolgaster Papiertheatertage vom 1.-3- August 2014
Seite 2


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Das PapierTheater Nr.38                           SEITE 2                       August 2014

PAPIERTHEATERFESTIVAL

Die Ersten Wolgaster Papiertheatertage vom 1. - 3. August 2014

 

                              


        wolgast

         Die Bilder in diesem Beitrag stellen eine Auswahl der AuffÜhrungsorte vor

 




Wolgast
pAPIRNIKS pAPIERTHEATER
Foto: Kulturverein



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Foto: Kulturverein

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Foto: Kulturverein

Eindrücke von den Ersten Wolgaster Papiertheatertagen

von Horst Römer


Das Erste, das man von Wolgast schon vor dem Ortsschild wahrnimmt, ist ein Stau. Er zieht sich bis zur Penebrücke hin, die zur Insel Usedom führt. Die Autoschlange verdankt sich den zahlreichen Inselbesuchern und der Tatsache, dass die Brücke eine Klappbrücke ist, die von Zeit zur Zeit hochgeklappt wird. In einigen Jahren soll ein neuer Übergang gebaut werden. Bis dahin muss man als Papiertheaterbesucher oder Spieler noch etwas Geduld mitbringen und für die Anreise eine gute Stunde mehr einplanen. Um so größer ist aber die Freude, wenn man nach der Ankunft entdeckt, dass links und rechts des Staus eine liebenswerte Kleinstadt liegt mit Fachwerkhäusern, Gassen, einem wunderschönen Rathaus und einem Marktplatz, der von Restaurants und Cafés gesäumt ist. Eine wunderbare Kulisse für ein Papiertheaterfestival! Die Spielorte befinden sich stilecht in alten Gemäuern und auf einem Schiff und erweisen sich fast alle als theatertauglich: eine alte Post zum Hostel umgebaut, ein Museum, ein Café, das historische Rathaus, eine Mühle, ein Kornspeicher, eine Galerie… 

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zUSCHAUER BEI DER pREMIERE DER sCHATZINSEL UND DER mÜHLE AM pASCHENBERG
Foto: Kulturverein


Organisiert wurde das Festival von Robert Jährig und dem Förderverein für Kunst, Kultur und Bildung Wolgast e.V., der Stadt Wolgast und den Städtischen Museen Wolgast. Die Besitzer der Räume haben die Spieler freundlich unterstützt und vor Ort für einen reibungslosen Ablauf gesorgt. An Sponsoren hat es nicht gefehlt: die Stadt, die Sparkasse Vorpommern, das Forum Papiertheater, das Papiertheater Heringsdorf und das Multum in Parvum Papiertheater. Natürlich kann man jede Organisation noch verbessern, das gilt auch für die Wolgaster Papiertheatertage, aber was dazu anzumerken ist, wurde oder wird noch dem Initiator Robert Jährig mitgeteilt. Wir können uns getrost weiteren positiven Seiten zuwenden.

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bEGRÜSSUNG DER zUSCHAUER BEI DER pREMIERE DER sCHATZINSEL
Foto: Kulturverein


Neben der entspannten Atmosphäre und den schönen Örtlichkeiten fiel uns die professionelle Werbung auf. Außer den zahlreichen und nicht zu übersehenden Bannern und Plakaten entdeckte man, dass auch die Buchhandlung Bühnen und Figuren ausgestellt hatte. Die Spielstätten lagen eng beieinander, waren leicht zu erreichen, der Zeitplan war so gestaltet, dass man auch als Spieler Gelegenheit hatte, Kolleginnen und Kollegen zu besuchen. Die Verpflegung für die Artisten fand zentral statt, so dass alle zusammenkamen. Der „kommunikative“ Marktplatz wurde schon erwähnt. Man konnte alte Bekannte begrüßen und neue kennenlernen – zählen wir alle Bühnen und Stücke auf: Vischmarkt Papierentheater („Land ohne Musik“), Papirniks Papiertheater („Der Freischütz“), Svalegangens Dukketeater („Ehrengard“), Paperback Papiertheater („Genoveva“), Invisius („Von den Fischer un sine Frau“), Fabulas Papiertheater („Bimbo und sein Vogel“ und „Der fliegende Holländer“), Hanauer Papiertheater („Hänsel und Gretel auf Hessisch“), Papiertheater am Ring („Martha oder der Markt zu Richmond“), Multum in Parvo Papiertheater („Zauberflöte“), Haases Papiertheater („Vom Zauber des Rheins“), Papiertheater Heringsdorf („Die Schatzinsel“), Thalia Theater („Die Hosen des Herrn Bredow“), Römers Privattheater („Das Magische Theater“).

Und nun zur Gretchenfrage: Wie waren die Besucherzahlen? Es gab gut besuchte Veranstaltungen und weniger gut besuchte. Insgesamt war es für das erste Mal in Ordnung. Man hätte sich mehr gewünscht, konnte es aber realistischerweise nicht erwarten. Wie immer waren die „Erstkontakter“ mit dem Papiertheater von ihm fasziniert und werden ihre Begeisterung weitergeben. Auf jeden Fall sollte man das Projekt fortführen, es hat eine Chance verdient. Robert Jährig vertritt ein vernünftiges Konzept. Die Papiertheatertage werden alle zwei Jahre stattfinden, sich eher im nationalen Rahmen bewegen und Neulingen die Gelegenheit zu ersten öffentlichen Auftritten bieten. Wir jedenfalls freuen uns auf das nächste Mal und werden dann sicherlich an allen drei Tagen spielen können (diesmal war die Zeit etwas knapp), uns die „Anderen“ anschauen, die Gaststätten rund um den Marktplatz ausprobieren und dabei fachsimpeln. 

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DER FLIEGENDE hOLLÄNDER AUF DEM FÄHRSCHIFF sTRALSUND
Foto: Kulturverein


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Foto: Kulturverein


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bLICK HINTER DIE KULISSEN
Foto: Kulturverein


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pER BRINK ABRAHAMSEN
Foto: Kulturverein


Betrachtungen eines „Stock- Konservativen“...
... geäußert angesichts der Wolgaster Papiertheatertage

von Klaus Loose


In Wolgast ging es vor allem darum, das  historische Papiertheater wieder in die Familien zu bringen. Dies zu vermitteln und zugleich vorzuspielen, "wie man�s macht", ist dort sehr gut gelungen.

Jeder mit kulturellem Interesse weiß in Deutschland, was unser „Regie“-Theater dem Zuschauer zu bieten hat. Wollen Sie  vielleicht damit Ihren Kindern etwa Schillers "Wilhelm Tell" näher bringen? Tell im Landrover mit Wumme auf dem Schoß und Neusprech im Mund? Na also! Was ist es für ein beglückendes Erlebnis, gemeinsam die Kulissen und Figuren aufzukleben und sauber auszuschneiden, bis es schließlich vor einem steht und nach und nach das ganze Stück auf diese Weise erst einmal optisch fassbar wird. Und wenn�s dann zur Vorstellung kommt! Man kann Freunde, Nachbarn, Kollegen einladen — das ist für die Erziehung und das soziale Leben viel mehr wert, als wenn Mama den Sohnematz mit dem Zweitwagen wochenlang zu einem "Kreativ- Projekt" namens "wir machen Theater" fährt.

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Peggy und Lutz Reinhold Thalia Papiertheater
Foto: D. Kroll


Wer das historische Papiertheater pflegen will, soll vor allem bedenken, wer auf dem Gebiet des Theaters der "Kreative" ist. Eben nicht  der Regisseur, der uns Zeitgenossen eines “ganz neuen" Zeitalters dank seiner eigenen Erleuchtung erklären will, wie wir die gutgemeinten Ideen des Autors h e u t e  auszulegen haben (und deshalb - etwa hier in Coburg - Lohengrin in einer riesigen Kanzlei mit Regalwänden voller Kartons mit Akten aufführt). Der Kreative ist nämlich der Autor, und dessen sind sich auch die wahrhaft großen Theaterleute immer bewusst gewesen. So sollten auch wir Papiertheaterspieler ganz gezielt und mit voller Absicht mit den vollendet schönen Kostümen und Dekorationen umgehen. Theater machen, ob groß oder en miniature, ist Handwerk, Handwerk, Handwerk.

Genieren Sie, verehrter Leser, sich nicht, als  konservativ eingestuft zu werden. Die großen Werke haben ihrer Größe halber Bestand und brauchen keine intellektuelle Durchleuchtung, denn die Menschen haben sich innerlich nicht verändert, sondern werden von außen manipuliert. An Kindern lässt sich das erkennen. Vor der Mitte des 19. Jahrhunderts gab es ein besonderes kindliches Theater gar nicht. Das Repertoire war im wandernden Marionettentheater das gleiche wie bei wandernden Theatergesellschaften und den festen Bühnen. Die Kinder wurden einfach mitgenommen in die Aufführungen  und haben sie auch begriffen. Deshalb wussten auch Sechsjährige, wer Wilhelm Tell ist und drängten später die Eltern, sie doch auch woanders mitzunehmen. Die gehobene Sprache (die auch nicht zum "Neusprech" wurde, als um 1850 Verlage speziell kindliche Stoffe wie z.B. Schreiber in Esslingen in den Vordergrund stellten) deuten die Kinder für sich aus der Handlung ganz richtig und merken dabei nicht, dass ihnen nebenbei ein ganz kleines Stück Bildung vermittelt wird.

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Schatzinsel
Foto: D. Kroll



Vorsichtig sei man auch mit technischen Entwicklungen, die erst lange nach unseren Dekorationen entstanden sind. Natürlich ist es sinnvoll, elektrisches Licht statt Kerzen oder Petroleumlichter zu benutzen — es lässt sich 1000 mal leichter regeln. Nur muss es sich auch problemlos regeln lassen! Irgendwo sah ich in Wolgast bewundernswert kleine, LED-artige Birnchen, die sich sogar in der eigenen Farbigkeit regeln ließen, also einmal rot, einmal hell oder blau leuchteten — praktisch wie eine Vierfarbenbeleuchtung, die man bei unserem historischen Kulissensystem als Allgemeinlicht hinter jeder Gasse und als Oberlichter statt großer Lampen sehr gut anwenden kann. Doch wehe, wenn die sich nicht ganz, ganz fein regeln lassen.
Die Universal-Oberlichter, die ich in Wolgast sah und die mich so stark beeindruckten, schienen per Knopfdruck zu regeln gewesen sein. Wehe, wenn man bei so etwas eine Viertelsekunde zu lange drückt... Doch damit muss der Einzelne fertig werden. Aber ich sah auch etwas ganz Modernes, einen Beamer. Er hatte den Zweck, eine große Tiefe optisch zu erzeugen. Das hat er leider nicht geschafft. Seine Projektion (von hinten wohl) war gestochen scharf und sehr hell, viel heller als im vorderen Drittel der Bühne die Figuren agierten. Das hatte leider einen großen Nachteil: wird es im Theater zu duster, so nimmt die Aufmerksamkeit der Zuschauer ab! Es ist ein Kardinalfehler moderner Regisseure, Nacht dunkel zu machen — sie sei blau; dass dies "dunkel" sei, ergänzt der Zuschauer in seinem Unterbewusstsein. Vorne, wo gespielt wurde und etwa zwei Gassen tief, vielleicht auch drei, wo richtig farbige Kulissen und Soffitten waren, war es ganz einfach "zu dunkel", und zwar keineswegs nur für Nacht-Szenen. Man muss sehr exakt prüfen, was sich von  der  allerneuesten Technik eignet.

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bEGRÜSSUNG BEI DER ERSTEN vORSTELLUNG
Foto: Kulturverein


Einmal sah ich einen Hohlhorizont. Der ist zwar auch ein nicht exakt „zeitentsprechendes Mittel“ im Verhältnis zum historischen Papiertheater (der Rundhorizont wurde erst im Anfang des 20. Jahrhunderts im Theater populär) und dient zur Erzeugung großer Tiefe: Und diese Aufgabe erfüllt er auch auf unserer Papierbühne ausgezeichnet!

Noch etwas zur Beleuchtung: hüten Sie sich vor Spielereien mit dem Licht! Das Theater von heute meint oft, man müsse das Bemühen etwa des Komponisten unterstützen, indem man eine Szene oder eine Arie mit Beleuchtungsänderungen unterstreicht, sei es verinnerlicht oder aufgewühlt durch Lichtschwankungen in Intensität oder gar Farbe "bereichert". Es ist der größte Unsinn, den man auf diesem Gebiet anstellen kann. Lässt der Autor etwas in der Dämmerung stattfinden, dann findet es auf der Bühne eben in der Dämmerung statt und bedarf keiner beleuchtungstechnischen "Untermalung". Wenn es dessen je bedurft hätte, wäre es längst von den Spielplänen verschwunden!

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Aufführung der Martha
Foto: D. Kroll



Und wie bewegt man Figurinen auf der Bühne? Als ich als Kind anfing, führte man sie an einem steifen Draht von oben. Erst viel später lernte ich, dass man das wohl nur in Deutschland so machte, anderswo, in Dänemark und in England, führte man die Figuren von der Seite. In Wolgast habe ich nur eine Bühne gesehen, wo man von oben führte. Das ist nicht nur anstrengend, sondern es bringt die Figur (wie zu erleben war) mitunter zum Wackeln und Schwanken.

Vorsicht, größte Vorsicht ist bei heftigen Bewegungen angebracht. Eine Figur im Gespräch bewegt sich nur um Millimeter hin und her, damit so eine Szene nicht zum Gezappel wird. Es sind mir in Wolgast drei Bühnen aufgefallen, die das aus dem ff beherrscht haben.

Wie geht man vor, wenn zwei Figuren im Dialog die gleiche Blickrichtung  haben, etwa beide den Blick nach links richten? Einmal habe ich in Wolgast einen Lösungsversuch gesehen, der Unruhe brachte. Die betroffene Figur, rückseitig spiegelgleich beklebt, drehte sich bei Bedarf um und schaute nun den Partner an. Das sollte nicht zu oft in einer Szene realisiert werden. Denn das Resultat war, dass oft schon beim Umdrehen gesprochen wurde. Dazu noch auf ein starkes Material von 4 oder 5 mm geklebt, wirken Figuren auf der Bühne nur , wenn man sie parallel zur Rampe sieht.

Haben Sie als Stock-Konservativer (zu diesem" Ehrentitel" habe ich es kürzlich in einer Buchrezension gebracht, und ich bin sogar wirklich stolz darauf) keine Angst vor                    der S p r a c h e. Ein Marionettenspieler vertrat mir gegenüber die Ansicht, nur so was wie "Neusprech" wollten die Kinder von heute sehen, das "Alte" und „Uncoole“ langweile sie nur. Ein Kinderstück aus unserem Repertoire mit einem Text von etwa 1910 habe ich 44 Jahre lang jedes Jahr zu Weihnachten eingeschoben und nicht den allerkleinsten Flop damit erlebt, sondern nur volle Häuser mit begeisterten Zuschauern — ob jung, ob alt. Der Verstand des Kindes muss Wörter wie Etikette, Exzellenz oder Majestät nicht kennen, im Zusammenhang erlebt es die Geschichte voll und ganz. Und den modernen Eltern ("super", "echt OK")  geht es genau so.
Im Gespräch kamen wir in Wolgast auch auf die  Pausen.  Soll man die nicht tunlichst mit Hintergrundmusik ausfüllen, wenn nun mal umgebaut werden m u s s ?  Ich schließe mich da der Dame an, die mit aller Entschiedenheit NEIN und drei mal NEIN sagte. Das Theater braucht die Pausen, denn da wird der Spannungsbogen verarbeitet. Statt solcher Untermalung wie im Supermarkt ist die Stille ein Geschenk, das viele gar nicht mehr kennen. Das ist zwar auch "konservativ", aber es ist gut für's Publikum.

 

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          Foto: D. Kroll




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