Zeitungskopf

Editorial

Liebe Leserinnen und Leser,

in der Sommerausgabe der Webausgabe der Zeitung PapierTheater würdigt Gert Strauss vom WIENERpapierTHEATER das Lebenswerk von Dr. Herbert Zwiauer, der am 13.4.2011 verstorben war.

Dank der Arbeit von Christian Reuter und vor allem Inge Reuter als Übersetzerin kann ein Artikel von Henri George aus dem französischen Bulletin de la Société Archéologique, Historique et Artistique LE VIEUX PAPIERE hier in einer deutschen Übersetzung präsentiert werden.

Wie bereits in der letzten Ausgabe angekündigt wurde, schließen Barbara und Dirk Reimers ihr Geschäft in Preetz. Uwe Warrach hat sie besucht und lässt uns noch an ein paar wehmütigen Blicken an den einmaligen Laden in der Bahnhofstrasse in Preetz und ihren Besitzern teilhaben.

Und so bleibt uns wie jedes Jahr:

Wir sehen uns in Preetz


Viel Vergnügen bei der Lektüre!

(mf)

 

INHALT – Nr. 23 – August 2011


Dr. Herbert Zwiauer (1924 – 2011)
 - eine Würdigung
von Gert Strauss
Seite 2

Papiertheater
von Henri George

Seite 3

Abschied von gestern
Zur Schließung von Pollidor’s Papier Curiosa in Preetz
Uwe Warrach im Gespräch mit Barbara und Dirk Reimers
Seite 4

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Das PapierTheater Nr.23                           SEITE 2                           August 2011


Dr. Herbert Zwiauer
(1924 – 2011) 
  eine Würdigung

von Gert Strauss




                                           Dr. Zwiauer



 


O
ft kommt er, wenn er zu Verwandten in die nähere Umgebung von Wien fährt, mit seinem Malkasten und Pinsel an. Dann setzt er sich unter einen Baum und beginnt in Ruhe seine mitgebrachten Vordrucke der Figurinen und   Dekorationen nach Originalvorlagen zu kolorieren - und darin erreicht er eine wahre Meisterschaft. Für ihn geht es nicht unbedingt um Originale, sondern um schöne Belege der Papiertheater, und ihm geht es in erster Linie um den Inhalt des Bogens. Die Dekorationen und Figurinen werden feinsäuberlich auf dünnen Karton aufgezogen und dann mit Messer oder Laubsäge ausgeschnitten (somit „spielbereit“ gemacht), beschriftet und  inventarisiert.

Herbert Zwiauer hatte das Glück, das Papiertheater aus seiner frühesten Kindheit zu kennen - er ist gewisser Maßen mit ihm groß geworden - , und er hatte das Glück, noch Menschen zu begegnen, die das Papiertheater auch seit ihrer Kindheit kannten.

Deshalb ist er auch gefragt und geschätzt ob seines umfangreichen Wissens und seiner großen Erfahrung bei Sammlerkollegen und Museen.

Er kommt in Kontakt mit dem Stadtmuseum Wels und bekommt damit die Gelegenheit, die umfangreiche Sammlung von Inno Tallavania, einem Verwaltungsjuristen aus Linz, für längere Zeit zu bearbeiten. Er wird gerufen in das Museum Wien, um die Sammlung Botuschan aufzuarbeiten, was er jedoch wegen des großen Umfangs nicht fertigstellen kann. Auch im Österreichischen Theatermuseum ist er bemüht, den Bestand an Papiertheatern, Dekorationen und Figurinen zu bestimmen und zu ordnen.

Er steht mit Rat und Tat Sammlern wie auch Spielern zur Verfügung,  wo immer es erforderlich ist; und er stellt seine Unterlagen auch gerne zur Verfügung.

Herr Herbert Zwiauer  ist bemüht, das „Kulturgut“ Papiertheater allen Interessierten nahe zu bringen und aufzuzeigen, dass diese Theaterform die kleinere Form der großen Bühnen früherer Zeiten war. Ihm ist es ein Anliegen, diese Verbindungen und Zusammenhänge aufzuzeigen, die er noch bestens aus eigener Erfahrung kennt: seien es die Stücke, die heute bereits vergessen sind, jedoch in den Bögen weiterleben, seien es die erfolgreichen Aufführungen, die in direktem Bezug zu der Herausgabe der Bögen stehen.

Er versucht auch von der Seite der Geschichte des großen Theaters, über die Ur- und Erstaufführungen an bestimmten Wiener Bühnen, in deren Umkreis das Papiertheater entstand, diesem näher zu kommen.

Und dazu gehören auch Ausstellungen - 1974 plant er mit seinem Sammlerfreund Heiner Seitler eine kleine Ausstellung, die er aber erst nach dessen Tode mit seiner Witwe veranstalten kann.

1985 findet im Volkskundemuseum Wien die Sonderausstellung über Papiertheater aus Wiener Sammlungen statt, bei deren Gestaltung er     maßgebend beteiligt ist. Den größten Teil der Ausstellungsstücke stellt er als Leihgaben zur Verfügung und ist federführend für den Inhalt des 2-teiligen Katalogs, der eine wichtige Grundlage für weitere Forschungen wird. Eine      Multimediaschau mit seinen Stücken aus „In 80 Tagen um die Welt" ist der Mittelpunkt dieser Ausstellung.

Er gibt das kleine (aber feine!) Buch „Papiertheater - Bühnenwelt en Miniature“  heraus, auf das immer wieder hingewiesen wird und das sein umfangreiches Wissen gut dokumentiert.

Am Weihnachtsabend, seinem Geburtstag, wird immer die umfangreiche Krippe vom Verlag Trentsensky neben dem Baum liebevoll aufgestellt, zu Ostern oft die Passionskrippe aus demselben Verlag.

Ein großes Anliegen sind ihm stets die selbstgemachten Weihnachtswünsche in Form kleiner Bühnen mit Hinweisen auf diverse Jubiläen des Theatergeschehens oder Raritäten seiner Sammlung, auf die man jedes Jahr  wartete.

Er steht bis zum Schluss in Verbindung mit Sammlern aus ganz Europa und Übersee, tauscht Bogen und Erfahrungen aus und ist stets im Bilde, was sich in der Szene tut. Er nimmt regen Anteil an den Geschehnissen im Verein und den diversen Festivals. Große Freude bereitete es ihm, beim  internationalen Papiertheaterfestival in Preetz 2007 und 2008 anwesend zu sein, und er überlegte auch heuer noch einmal, diese Reise auf sich zu nehmen.

B
etreffend die Zukunft des "modernen" Papiertheaters war er eher skeptisch.
In seinem Brief vom 22.6.89 an Dietger Droese bemerkt er: „Ich glaube, dass sich eine Belebung (des Papiertheaters) aus einer vollkommen neuen Stoffwahl ergeben könnte, Stoffe, die die Fantasie anregen [...] gute Zeichner und einen spannenden Text bei Beibehaltung der Kulissenbühne, denn Experimente anderer Art wirken noch naiver, als es das Papiertheater ist und eine gehörige Portion Naivität ist darinnen, trotz der großen Liebe.“

Für alle, die ein Stück seines Weges mit ihm gehen durften, war seine Bekanntschaft sehr bereichernd, er war Lehrer und Freund.

In der großen Welt der kleinen Bühnen kannte er sich aus wie kein anderer.
Er hat alle teilhaben lassen an seinem umfangreichen Wissen und seiner großen Erfahrung.

Er war mit seinem Rat und großzügiger Unterstützung immer zur Stelle und er konnte sich so richtig freuen über eine gelungene Aufführung auf den kleinen Bühnen, ohne auf seine kritischen Äußerungen zu vergessen, die allen wichtig waren.

Er wollte sein Lebenswerk in Wien erhalten wissen, offen und zugängig für alle Interessierten, für Sammler wie Spieler und auf jeden Fall spielbereit. Möge sein Wunsch in Erfüllung gehen - damit könnten auch neue Akzente in der musealen Darbietung gesetzt werden.

Doch vor allem war Dr. Herbert Zwiauer - um mit den Worten von Sarastro aus der Zauberflöte zu sprechen - EIN MENSCH, und dafür gebührt ihm unser besonderer Dank und unser ehrendes Gedenken.

Zwiauer3


                 



Das PapierTheater Nr.23                           SEITE 3                           August 2011


Papiertheater

von Henri George



1985 hat Henri George, der langjährige Leiter der „Société LE VIEUX PAPIER“ bei einem Diner, dem regelmäßigen Treffen der französischen Papiersammler, einen Vortrag über das Papiertheater in Frankreich gehalten- Seine große Sammlung alter Drucke und umfangreiches Wissen darüber waren Anlass und Grundlage für diese Ausführung in der Zeit der Wiederentdeckung dieses Themas von Sammlern und Spielern-  auch in Deutschland . Sein Vortrag wurde in der 323. Ausgabe der Zeitschrift des Vereins, dem „Bulletin“ vom Januar 1992 veröffentlicht.

Wenn sich auch in den letzten Jahren über das Papiertheater  neue Erkenntnisse und viele genauere Beurteilungen erarbeitet wurden, gibt der Artikel doch einen guten Einblick in die französische Papiertheaterproduktion besonders auch der frühen Jahre.

Bei der Tagung BILD DRUCK PAPIER, dem deutschen 0internationalen Treffen der Papiersammler, das diesmal in Epinal, der französischen Hochburg der Bilderbogenproduktion,  stattfand, erhielten wir vom jetzigen Leiter der Société, Thierry Depaulis, die Erlaubnis der Veröffentlichung einer deutschen Übersetzung in unserer Web-Zeitung. H. George hat seine Sammlung populärer Druckgraphik inzwischen dem Museum in Epinal übergeben.

Wir hielten es für gut, diesen Aufsatz den deutschen Papiertheaterleuten zugänglich machen zu können.
CHR.  Mai 2011

       George

 

         Henri George

PAPIERTHEATER 1)

Die Sammler der populären Graphik stoßen häufig auf vereinzelte Blätter mit der Bezeichnung „Theaterdekorationen", ohne etwas über deren Verwendung zu wissen. Es fehlt heutzutage das Wissen um die Art ihres Gebrauchs und ihrer Nutzung. Und dennoch: Die kleinen„Papiertheater“ waren zu Beginn des 19. Jahrhunderts außerordentlich beliebt, in Frankreich möglicherweise schon am Ende des 18. Jahrhunderts; später in vielen Ländern Europas.

In den letzten Jahren versuchten englische Verlage die Neuauflage derartiger Theater und behaupteten - was offensichtlich falsch ist - sie seien Mitte des 19. Jhs. in Großbritannien geschaffen worden. (2)

Diese Studie erhebt nun wirklich nicht den Anspruch, das Gebiet historisch erschöpfend zu behandeln. Ein Gebiet, das - so scheint es zumindest nach meiner Kenntnis - bisher noch nie Gegenstand einer Gesamtbearbeitung war. Es ist zu erwähnen, dass Henri René d'Allemagne in seiner„Geschichte des Spielzeugs“ ein ganzes Kapitel den Marionetten, dem Guignol und dem „Kindertheater“ (d.h. das Theater, das von Kindern gespielt wurde) widmet, ohne die Papiertheater und ihre Dekorationen überhaupt zu erwähnen. Es handelt sich hier vor allem also um das„urbar machen“ eines wenig bekannten Bereichs mit Hilfe entsprechender Beispiele aus meiner eigenen Sammlung.

Zunächst gilt es jedoch, unsere Papiertheater von anderen ähnlichen Produkten abzugrenzen.

Als erstes sind da die bekannten Guckkastenbilder, schon speziell behandelt von Mitgliedern des „Vieux Papier“ insbesondere dem verstorbenen Edouard Kayser (3). Diese Kupferstiche - mehr oder weniger fein koloriert - waren dazu gedacht, durch eine große Lupe angeschaut zu werden, die das Bild umgekehrt zeigte und ihm zugleich den Eindruck eines dreidimensionalen Reliefs verlieh.

Diese Bilder zeigen mehrere Schichten: die vorderste Ebene ist mit Personen belebt und bisweilen umgeben von einem Rahmen aus Bäumen oder Sträuchern, perspektivische Zeichnungen (in der Mitte) ergeben einen Effekt der Tiefenwirkung. Die letzte Ebene schließlich enthält das Hauptthema: Schloss, Denkmal, Kirche, Brunnen, Marktplatz ...

Dann gibt es Dioramen: Das sind Bilder in kleinem Format; ausgeschnitten und auf Karton geklebt bestanden sie aus einer Anzahl unterschiedlicher Ebenen. Besonders Engelbrecht in Augsburg war ein bekannter Produzent dieser Bilder. Die in Kartonkästen in den Rillen eines Brettchens hintereinander aufgestellten Tafeln zeigten die verschiedensten Themen: Jagdszenen, Empfänge in königlichen Schlössern, herrschaftliche Bälle, Feuerwerke, Schauspiele ...

Als nächstes sind die Schattentheater zu nennen: Diese Bilder - in Schwarz gedruckt - ebenfalls ausgeschnitten und auf Karton geklebt, zeigten Personen, Tiere, Gegenstände, Fahrzeuge und Gebäude. Sie wurden für verschiedene kleine Komödien benutzt, indem die Elemente hinter einem transparenten Schirm aufgestellt und stark beleuchtet wurden.

Solche Schauspiele, die sogenannten „Chinesischen Schatten“, hatte ein gewisser „Seraphin“ (aus Deutschland eingeführt) um 1770 in Versailles begründet. Sie waren bekanntlich außerordentlich erfolgreich. Die Bilderbogenverlage, besonders Pellerin in Epinal, Gangel in Metz und Wentzel in Weißenburg gaben zahlreiche Bogen„Chinesische Schatten“ heraus, mit denen richtige Schauspiele gezeigt werden konnten. Pellerin veröffentlichte sogar den „Seraphin der Kinder“, eine Sammlung von Schattenspielen mit Stücktexten in einem Heft, das „Eine Anweisung für das Theater und den Mechanismus der Figuren“ gab (4). Unser Kollege A. Dupois hat eine wichtige Arbeit über diese Schattentheater in unserem Bulletin veröffentlicht. (5)

Kommen wir nun zu unserem eigentlichen Thema, dem „Papiertheater“.
Normalerweise bestehen sie auseiner Fassade oder dem Bühnenportal (auch Proszenium genannt), entweder aus einem oder mehreren Teilen. Auf dem Giebel ist ein Titel angebracht: „Opera“, „Opera comique“, „Théâtre fran�ais“ „Théâtre des Folies Bérgeres" etc. Auf einem Theater von "Ulysse" ist der Titel „Opera“ durch zwei andere ersetzbar, „Gymnase“ und „Odéon“. Auf einem anderen Bogen finden sich in gleicher Weise die beiden Titel „Vaudeville“ und „Ga�té“ (Lustspiel).    
Ohne Zweifel wechselte man diese Titel aus - abhängig vom gespielten Stück.
Hinter dem Bühnenportal gab es einen Bühnenvorhang (oft zusätzlich ein roter Vorhang mit goldenen Quasten) der - auf ein Tuch geklebt - aufgerollt werden konnte.
Die Dekorationen bestehen aus „Kulissen“, die normalerweise an beiden Seiten in mehreren Ebenen gestaffelt aufzustellen waren und einem Hintergrund mit dem gleichen Motiv wie die Kulissen. Um einen Eindruck von der Fülle der Motive zu geben - sie finden sich in gleicher Weise bei den meisten Herausgebern dieser Theater - reicht die Aufzählung der Titel der 27 Dekorationen des „Grand Théâtre Nouveau“ von Pellerin in Epinal, die einfach oder vergoldet auf Bogen im Format 40x60 gedruckt waren: Öffentlicher Platz, Salon, Palais, Gefängnis, Wald, Höhle, Café, Gothischer Saal. Bäuerliches Zimmer, Landschaft mit Windmühle, Arktische Landschaft, Kaserne, Stoffladen, Esszimmer, Wintergarten, Kirmes, Pyramiden in Ägypten, Schlucht (mit beweglicher Brücke), Meeresküste mit Kasino, Burg, Bahnhof, Hafen (Schiffsunglück), Chinesisches Haus, Park und Garten, Gerichtshof, Feengarten, Bauernküche.

 Henri George
[(stark verkleinerter) Bogen von Ulysse: Hintergrund eines Platzes mit Fachwerkhäusern]

Man erkennt also die vielen Möglichkeiten an Stücken und Komödien, die mit diesen  Theatern gespielt werden konnten.

Zu den Versatzstücken zählen verschiedene Objekte, wie Möbel, Fahrzeuge ...
Diese Theaterdekorationen konnten für zwei unterschiedliche Spielarten benutzt werden.
Einmal konnten sie im Kaspertheater eingesetzt werden, also dem klassischen Puppentheater, bei dem der Spieler  Puppen führt, von denen nur Kopf und Oberkörper sichtbar werden.

Die Buchhandlung André Lesot, rue de l'Eperon 10 in Paris, hat eine Broschüre von „Ingenieur Henry Graffigny“ veröffentlicht, die auf 40 Seiten (2. Auflage 1917) alle Angaben für die „Konstruktion, Installation und Herstellung der Dekorationen und Figuren, der Beleuchtung und Tricks, Grundrisse und Zeichnungen für ein Kaspertheater" gibt. Dieses Kaspertheater benutzte sämtliche Dekorationen des "Grand Théâtre Nouveau“ von Pellerin. Der Autor der Broschüre gab sehr detailliert viele praktische Ratschläge für die unterschiedlichen Schritte des Aufbaus und er führte auch die Kosten für die verschiedenen zu beschaffenden Teile auf.

Am Anfang des Heftes befand sich die folgende Liste mit „Stücken für das Kaspertheater" von demselben Autor.

Henri George

Stücke für das Guignol-Theater.
Jedes Stück beginnt mit praktischen Anweisungen    0,75 fr
---------------
Eine silberne Hochzeit, Lustspiel in 1 Akt mit Gesang
Der Zauberkoffer, komische Komödie in 1 Akt und 2 Bildern
Die beiden Advokaten, komische Komödie in 1 Akt
Die rote Hose oder der Bezwinger der Krake, Zauberstück in 4 Akten und 5 Bildern
Die Plackerei des Paters Cafignon, Lustspiel in 1 Akt
Der Talismann, Zauberstück in 2 Akten und 12 Bildern
Eine schöne Landpartie, Singspiel in 1 Akt und 2 Bildern
Die Abenteuer des Baron Pierrecafeu, Komödie in 2 Akten und 12 Bildern
Messerheld Kaspar, Melodrama in 5 Akten
Der Händler der Stockschläge, Komödie in 1 Akt
Polichinell als Einsiedler, Lustspiel in 1 Akt
Die Schwänke des Hanswürstchens, Komödie in 1 Akt und 2 Bildern
Der Schatz des Nordpols, Zauberstück in 5 Akten und 6 Bildern
Alle Rechte der Reproduktion, der Übersetzung und der Bearbeitung sind für alle Länder vorbehalten

Eine andere, gebräuchlichere Nutzung, für die die Theater-Dekorationen eigentlich gemacht wurden, bestand in der Anfertigung eines Bodenbrettes „mit Rillen“, in welche die verschiedenen Dekorationen eingesteckt wurden und vor dem die Fassade „mit kleinen Keilen zu befestigen“ ist, wie es in dem unten gezeigten Schema für das „tragbare Theater mit Rillen“ von Pinot & Sagaire aus Epinal heißt.
 

Henri George

Es konnten also auf diesem Boden, der eine richtige verkleinerte Bühne darstellte, Personen durch Fäden bewegt auftreten, seien es kleine Stoffpüppchen, seien es Papierfiguren, auf Karton geklebt und ausgeschnitten aus den zahlreichen Figurenbogen für Theater, welche die zahlreichen Herausgeber der Dekorationen lieferten.

Ich habe in meiner Kindheit als Gast in Epinal eine Theatervorführung eines Freundes meines Vaters miterlebt, der eine solche Bühne aufgebaut hatte und jeden Donnerstagnachmittag Vorstellungen für die Kinder der Nachbarschaft gab. Das bedeutet, dass diese Theater, die vor allem im II. Empire modern waren, lange überlebt haben und für die Kinder genau so viel Anziehungskraft boten, wie die Comics und andere Spektakel heute, die das Fernsehen in jedes Haus bringt.

Ohne den Anspruch einer erschöpfenden Aufzählung soll nun über die Herausgeber berichtet werden, die sich mehr oder weniger auf die Produktion der Papiertheater spezialisiert hatten.

Wie auf vielen anderen Gebieten der populären Graphik auch waren die ersten Produkte ds Papiertheaters bei den Bilderfabrikanten der rue St. Jaques in Paris anzutreffen. Der wichtigste unter ihnen scheint der Lithographie-Herausgeber ULYSSE gewesen zu sein, der 1830-36 in der„rue St. Jaques 66, 2. Etage“ firmierte. Verschiedene Bogen tragen - unter anderem - die Bezeichnung „und bei Hocquart senior, 64, rue St. Jaques“ (Hocquart war auch bekannt als Herausgeber von Guckkastenblättern und als Nachfolger des berühmten Basset).

Von 1837 bis 1847 änderte sich der Name der Firma in „Ulysse et Cie“ - bei gleicher Adresse. 1847 bis 1852 zog sie in die rue de la Harpe 32, während sich das lithographische Atelier in der Rue de la Parcheminerie befand. Von 1852 bis 1854 findet man sie in der Rue de la Harpe 46. Die spätere Firmierung bis zu seinem Verschwinden um 1861 lautete„Ulysse-Denis, Rue du Platre St. Jaques 28“.

Ulysse konnte auf verschiedene Lithographen zurückgreifen, besonders auf Garson, Rue de la Cité 36, bekannt als Autor zahlreicher „Canards“. Auf einem Bogen (Gothischer Palast) findet man gleichfalls die Angabe eines anderen Lithographen: Ricaud, Rue des Noyers 36.
Ein Bogen von 1852 trägt die Bezeichnung: „Lith. Vayron, Rue Galande 51“.

Es ist sicher, dass Ulysse seine Theaterdekorationen seit 1830 produziert hat. Wir besitzen einige Bogen auf handgeschöpftem Papier (papier vergé), die folglich vor 1837 entstanden sein müssen. Andere Bogen mit dem Stempel des Dep�t legal (was eine Datierung erlaubt) lassen sich auf die Zeit vor 1852 einstufen.

Einige Bogen nennen gleichfalls verschiedene Drucker: „Blanchard, Rue de Grange Truandereie 42“, „Lemercier, Bernhard et Cie“.

Es existieren mehrere Theatermodelle in unterschiedlichen Maßen. Auf einem Bogen von 1836 mit dem Aufdruck „bei Hocquart sen., Rue St. Jaques no. 64“ ist weiterhin angegeben: „N.B. Man findet in diesem Haus ein vollständiges Sortiment an Theater- und Dekorationsbogen aller Art von 8 bis 24 Zoll.“ (6)

Wie wichtig diese Produktion von Ulysse auch gewesen sein mag, so hatte die Firma sicher kein Monopol auf dem Gebiet dieser Theater, denn wir finden auch einen Bogen von 1845 der „Witwe Noussilot et Joussard, Rue de Beaujolais no. 2“.

Henri George

 
Pellerin hat später die Themen dieser Dekorationen übernommen, insgesamt die gleichen, die in der oben erwähnten Liste aufgeführt sind: Landschaften, Plätze, Häuser, Monumente, und sie dem romantischen Geschmack der Zeit angepasst. Die Dekorationen der Interieurs, der Küchen, Stuben und Salons geben interessante Einblicke in die Möblierung. Besonders bemerkenswert  bei vielen der Küchendekorationen ist die Populargraphik an den Wänden.

Der farbige Bogen im aktuellen Heft unseres Bulletins, betitelt „Théâtre mervellieux“, ist der Deckel einer Schachtel, die - wie es angegeben ist - neben den notwendigen Teilen zum Aufbau des Theaters und der Dekorationen auch eine Sammlung von Stücken sowie 24 Figuren enthält. Diese Kästen wurden vom Herausgeber Wattiliaux in Paris vertrieben.

Es ist eine kolorierte und geleimte Lithographie von 32x36 cm von H. Jaunin, gezeichnet von B. Couderc, die eine Aufführung von Kindern für Kinder Ende des 19. Jahrhunderts zeigt. Dies ist zweifellos auch die letzte der Pariser Produktionen auf diesem Gebiet.

Wie bei den meisten Gebieten der populären Graphik haben die Bilderfabriken der Provinz - ganz besonders jene in Ostfrankreich - nicht gezögert, ihre Pariser Kollegen zu kopieren.

Die Imagerie Pellerin gab als erste um 1842(7) ein „Petit Théâtre“ heraus, dessen Maße eigentlich eher einem Guckkasten als einem Theater entsprachen (der Hintergrund maß 10,5x13 cm). Es bestand aus einem Proszenium, einer Dekoration Öffentlicher Platz, einem Garten, einer Stube, einem Bauernhof und einem Fischerhafen; jede mit den zugehörigen Kulissen, alles Holzschnitte und ... kräftigst koloriert.

Danach kam, gleichfalls in Holzschnitten, ein nur wenig größeres Theater heraus
(17,5x24 cm für den Hintergrund), das aus einem Proszenium und einem Vorhang bestand, dazu kamen ein Städtischer Platz, ein Salon, eine Bauernstube, ein Palast, ein Kerker, eine Meeresküste - mit den entsprechenden Kulissen. Es wurde in der Zeit des II. Empire durch zwei Bogen „Dekoration des Militärtheaters“, signiert von Vanson, komplettiert. Mehrere Bogen „Ländliches Dekor“ enthielten auch Personen, Tiere und Bäume, welche aufgeklebt und ausgeschnitten der Belebung der Bühne dienten.

Etliche Dekorationen sind offensichtlich sowohl bezüglich der Themen als auch in der Ausführung von denen des Pariser Ulysse inspiriert.

Danach wurde ein anderes, größeres Theater (Hintergrund 29x38 cm) von der „Imprimerie et lith. de Pellerin à Epinal“ herausgegeben; die Lithographie war von Chaste, die Zeichnung von A. Soret. Mit dem Proszenium samt Vorhang umfasste es folgende Dekorationen: Bauernstube, Zimmer, Salon, Schloss, Wald, Meeresküste (Hafen?), Mühle, Palast und - selbstverständlich - die zugehörigen Kulissen.

Als Pinot et Sagaire in Epinal ihre konkurrierende Firma eröffneten, produzierte diese natürlich auch ein Theater: das „Neue tragbare Theater mit Rillen“, das sich „schnellstens auf- und abbauen“ ließ. Die Montageanweisung wurde oben schon abgedruckt.
 

Henri George
 
 
Die Produktion dieses Theater wurde nach der Übernahme des Hauses Pinot von Pellerin wieder aufgenommen, und es gab bis in unsere Tage zahlreiche Ausgaben. Es enthielt folgende Dekorationen (mit den entsprechenden Kulissen): Palais, Bauernstube, Park Luxemburg, Platz Palais Royal, Gefängnis, Wald, Salon, Venedig, Bauernhof, Schloss.

Zuletzt realisierte Pellerin das „Grand Théâtre Nouveau“, genannt „Opéra“, dessen Liste von 26 Dekorationen schon oben aufgeführt wurde.

Auch der große Konkurrent von Pellerin, Gangel (später Gangel & Didion) in Metz, brachte  Theater heraus:
ein großes Theater (der Hintergrund misst 29x39 cm) mit ähnlichen Dekorationen wie Pellerin (Schloß, Wald, Salon, Garten...).
Ein anderes  kleineres Theater (Hintergrund 17x27 cm) mit ähnlichen Bildern.
Ein mittleres Theater (Hintergrund 19x27 cm) betitelt „Petit théâtre dorée“ (Litho gesteigert durch Golddruck), dessen Front mit „théâtre des variétés“ beschriftet ist und ein vergleichbares Dekors und einen prunkvollen blauen Vorhang, rot und golden, mit Sternen besetzt, vorzuweisen hat.

Delhalt, der Nachfolger von Gangel et Didion, der sich nach 1870 in Nancy niederließ, fügte ein neues Theater mit Metzer Hintergründen hinzu: das „Grand Théâtre“, das diese Bezeichnung durch seine Dimensionen rechtfertigt, denn der Hintergrund maß 36x50 cm. Man findet jedoch immer den gleichen Typus der Dekorationen: Palais, Fluss, Burg (mit Hängebrücke), Meer, Stadtplatz, Bauernhaus, Gefängnis, Bauernstube, Wald, Schloss, Salon, dazu Bogen mit prunkvollen Figuren im Maßstab dieser Bühne.
Die „Imagerie Nouvelle“, Vagné in Pont-à-Mousson blieb nicht hinter ihren Konkurrenten zurück, sie produzierte ebenfalls:
Ein Theater (Hintergrund 24x37 cm) mit vergleichbaren Dekorationen und Kulissen, teilweise mit Neuerungen: ein Dörfchen, ein Schweizer Dorf, ein Platz in Straßburg, ein Fort Vauban (datiert 1892), eine Herberge.
Ein sehr großes Theater (Hintergrund 35x50 cm) mit Dekorationen, die ebenfalls einige Innovationen brachten: ein Arsenal, ein Hotel, die Pariser Oper.
Henri George


Die Imagerie Wentzel in Weißenburg mit einer Niederlassung bei Witwe Humbert, Rue St. Jaques 65, produzierte gleichfalls ein Theater, von dem  Dominique Lerch(8) im Depot Legal 13 Dekorationen erfasste, darunter ein Hintergrund mit typisch elsässischem Zimmer.

Zum Schluss sind noch die „Imageries Reunies de Jarville“ zu erwähnen, welche Nachdrucke der Hintergründe von Gangel & Didion und Delhalt in Metz und Nancy herausbrachten und die sie - ohne falsche Bescheidenheit -- in einem hier reproduzierten Katalog der 1920er Jahre als "die wichtigsten der Welt" bezeichneten: diverse Theaterdekorationen, die sie in jener Zeit noch verkauften.

Was das Ausland betrifft, so sei auf folgende Firmen - außer den oben erwähnten deutschen und englischen Reeditionen - hingewiesen:
- in Mailand: Via Vivario 10, Boldetti di Marcenaro e Maccho (bemerkenswert ist das Pariser
 Palais du Louvre)
- in Neuruppin: Oehmigke und Riemscheider
- in Esslingen: Schreiber

Von all diesen Theaterbogen und Dekorationen sind nicht viele bis in unsere Tage erhalten geblieben.

Die Imagerie d'Epinal hatte einen Lagerbestand (an Bogen) aufgehoben, der leider jedoch durch ein Feuer größtenteils vernichtet worden ist.

Aufgeklebt auf Karton, ausgeschnitten und den Kinderhänden überlassen, haben diese Bogen die Kurzlebigkeit so vieler Bilder erlitten. Sie haben aber das Verdienst, viele Kinder vor den Aufführungen auf den kleinen Papiertheatern träumen gelassen zu haben. Vielleicht hat es ihnen den Sinn für das Theater gegeben und - wer weiß? - sogar den Ruf zum Schauspieler geweckt.
 
Henri George


aus: BULLETIN de la Société Archéologique, Historique et Artistique LE VIEUX PAPIER,
        Fascicule 323, Paris, Januar 1992:, S. 4-12.    Übersetzung Inge Reuter, 2006

1) „Papiertheater“ war Thema eines Vortrages beim 518. Diner der Société Vieux Papier am 20. Juni 1985
 
2)  Vob diesen [Neuauflagen?] Reeditionen seien genannt:
 in Großbritannien
- Personen und Dekorationen für "Jack, the Ripper" (Reproduktion von 1972 einer Londoner Veröffentlichung des Jahres 1854 mit Dekorationen, Personen und Text)
- Pollock's Personen und Dekorationen zu "Children in the Wood" (1972)
- Pollock's Personen und Dekorationen zu "Harlequinade" (1972)
- Nachdruck des Pollock's Toy Theatre "Regency" von 1850 (Texte, Dekorationen, Personen und Bauanleitung)
 in Deutschland
- Reproduktion 1879 von Dekorationen nach Jos. Scholz in Mainz aus der 2, Hälfte des 19. Jahrhunderts (Düsterntwiete 24, 2000 Hamburg 53), Nachdrucke besonders von Hintergründen, Vorhang und Proszenium.
 
3) Siehe Bulletin du Vieux Papier Nr. 198 von 1961, Seite 137

4) Pellerin, Epinal, 44 Seiten, o. J.

5) B ulletin du Vieux Papier Nr. 216, April 1966, Seiten 341.154

Zu Schattentheater siehe auch:

Ombres et Silhouettes, von H. Pearl, J. Boermans, P. van Delft, Verlag Hachette, 1979, 160 Seiten (Wichtiges Buch!)

Magie lumineuse, Über Schattentheater und Laterna Magica, von J. und P. Remise, Hrsg.: Van de Walle, Balland,   1979, 318 Seiten

6) 1 Zoll ist ca 27 mm, die Bühnen  also 22 bis 65 cm.

7) Depot légal vom 30. Juli und 13. August 1842 und 1. Juli 1843.

8)  V. D. Lerch, Imagerie et sociètè. L’imagerie Wentzel de Wissembourg  au XIXe siècle, 1982. Publikation Sociètès savantes d’Alsace





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Das PapierTheater Nr.23                           SEITE 4                           August 2011

Interview

Abschied von gestern
Zur Schließung von Pollidor’s Papier Curiosa in Preetz

Uwe Warrach im Gespräch mit Barbara und Dirk Reimers



              Papiertheater

                        


  

 


PTh: Mir gefällt ja, wie ihr damit umgeht: Keine absolute Perfektion, aber künstlerischer Anspruch und der Wille, sich und anderen Freude zu bereiten.

DIRK: Und dann beschweren sich einige, weil meine Lautsprecher nicht fehlerfrei funktionieren---

BARBARA: Da haben sie aber recht!

DIRK: Nein, das ist Quatsch! Wenn `n Lautsprecher brummt, dann brummt er eben.

BARBARA: Das Vollkommene mit makelloser Ausleuchtung und fehlerfreiem Ablauf ist auch für mich schön anzusehen, aber es ist nicht unser Ding.

PTh: Eure Bühnenbilder und Figurinen, meistens angefertigt von dir, Barbara-  nicht zu vergessen auch ein Proszenium- haben schon einen hohen Anspruch. Wo hast du das gelernt?

BARBARA: Alles autodidaktisch, aber ich habe immer schon gemalt und gezeichnet. Ich hatte auch ein Atelier in Preetz und habe Ausstellungen gemacht, aber es war und ist nicht mein Beruf. So richtig verwirklicht habe ich das alles in der Liebe zum Papiertheater.

DIRK: Es sollte auch – wie uns damals in Kopenhagen – andere zum Selbermachen anregen. Du fragtest vorhin nach Kindern als Kunden. Was zugenommen hat, sind Aktivitäten an Schulen, etwa von Kunstlehrern. Die kommen auch zu uns. Gerade gestern hat eine Frau nachgefragt, ob es etwas für Vorschulkinder wäre. Ich habe sie dann auf den Workshop beim Papiertheatertreffen hingewiesen. In unserer Ausstellung in Schönberg 1)  durften Kinder Figurinen selber machen und damit spielen. Da sind etliche Schulklassen durchgegangen. Sehr wichtig finde ich immer, das Pädagogische und den erhobenen Zeigefinger zu unterlassen. Unser Vorzug ist, dass wir nicht wissenschaftlich an die Sache herangehen. Damit würde man besonders die Kinder verprellen. Wenn sie fragen: Wie macht man eine Figur?, sage ich: Nimm ein Foto von deinen Eltern und schneid es aus.

Reimers

PTh: Nun entwerft, bastelt und spielt ihr ja gemeinsam. Wie geht das vor sich?

BARBARA: Ich versuche, meine Visionen umzusetzen. Und Dirk ist dann immer derjenige, der sagt: Das geht nicht, das kannst du nicht machen.  Dann gibt es Streit...

DIRK: ... aber wir schaffen es doch, auf einen Pott zu kommen. Ich mache den Text, und dann schaukeln wir uns auf Figurinen und Kulissen ein. Manchmal nach längerem Kampf, aber sonst würde das auch keinen Spaß bringen.

BARBARA: Meine Sache ist das, was dahinter steckt... etwas, das du nicht siehst, was du aber fühlst. Und oft kann Dirk das nicht nachempfinden---

DIRK: Oh, ich kann das, aber ich will es nicht nachempfinden.

BARBARA: Und eh ich ihn dahin gebracht habe, das ist ein harter Weg.

DIRK: Sagen wir mal: Eh ich sie dahin gebracht habe, das zu akzeptieren—aber eigentlich ist es egal. Meine These ist: Im Grunde will jeder Schauspieler/in werden, aber nicht jede/r wagt sich auf die Bühne. Also delegiert man das auf die Figurinen.

PTh: Und beim Spielen, wie geht es da mit euch zusammen?

DIRK: Wir spielen nur live. Allerdings kann ich mir die Texte nicht immer so genau merken...

BARBARA: ... und dann sagt er mittendrin etwas ganz anderes, und ich soll wissen, wann ich dran bin! Da gibt es manchmal wortlosen Zoff.

PTh: Gut, dass ihr hinter einem Paravent spielt.

BARBARA: Einmal haben die Zuschauer aber mein Gefuchtel als Schattenspiel an der Decke mitgekriegt.

DIRK: Nun ja, das gehört für uns dazu: Spontaneität, ebenso wie kleine Pannen. Ich trete nicht vor die Bühne und sage: Entschuldigung, diese Figur ist eben umgefallen. Wenn überhaupt, dann muss man es machen wie Peter Baldwin einmal: der kam vor die Bühne und erklärte, die Figur sei wieder mal „drunken“.

PTh: Das bringt mich noch mal auf die Kombination: Spielen -  Geschäft -  Ausstellung. Ihr habt hier Aufführungen gemacht...?

DIRK: In diesem Raum, ja, aber nur privat, für geschlossene Gesellschaften, die unsere Vorstellungen gekauft haben.  Wir wollen auch künftig im Museum spielen. Papiertheater muss leben. Bloße Ausstellungen sind steril.

PTh: Wir haben ja festgestellt, dass das Papiertheater vorwiegend von älteren Menschen gepflegt wird, vielleicht schneien hier und da auch mal ein paar Kinder herein -- allein das Spielen ist normalerweise ja neben dem Berufsleben kaum möglich. So ist das Papiertheater etwas von gestern geworden- ist euer Abschied vom Laden auch Teil eines größeren Abschieds?

BARBARA:  Es ist schon viel Wehmut dabei.

DIRK: Ja, und die Sorge, dass es bald kaum noch Händler geben wird. In Deutschland eigentlich nur noch wir und Peter Schauerte-Lüke, in Dänemark „Oldfux“ Sven Erik Olsen, in England Peter Baldwin’s Pollock in London. Es wächst nichts nach. Die einzige Perspektive ist das Internet.

PTh: Vielleicht ja eine gute, weil der potentielle Kreis größer und jünger ist, das Einkaufen allemal bequemer. Das wird man abwarten müssen. Vielleicht passt an den Schluss unseres Gesprächs auch Michael Endes Schlussatz in seinem erwähnten Roman: „Aber das ist eine andere Geschichte und soll ein andermal erzählt werden.“


1) Siehe „Das Papiertheater“ Nr. 7 /September 2010 und Internetausgabe Nr. 18 /Oktober 2010



                 





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