Zeitungskopf

Editorial

Liebe Leserinnen und Leser,


Leider beim diesjährigen Festival in Preetz nicht anwesend, aber unvergessen und von Freunden in ihrem Haus in Preetz besucht, war Inge Severin, viele Jahre mit ihrem verstorbenen Ehemann Wilhelm fester Bestandteil der Festival- programme; sie kommt hier zu Wort.


Damit es in dieser Dezember- Zeitung aber auch ein wenig weihnachtet, steuert Christian Reuter aus seinem unerschöpflichen Archiv ein Heiligabend-Bescherungs-Suchbild bei (Wo ist die Bühne?). Und um unterm Tannenbaum Premieren beim Gedichtaufsagen zu ermöglichen, reimt der Papieropernlibrettist Hans-Jürgen Gesche von sprechenden Krippen- und anderen Figuren.


Wir wünschen, wie immer, viel Vergnügen mit der Lektüre.

 

die Redaktion

 

INHALT – Nr. 19 – Dezember 2010 

Ein Kasten Lebensfreude - Uwe Warrach zu Besuch bei Inge Severin Seite 2

Stimmen in der Nacht der Nächte von Hans-Jürgen Gesche Seite 3

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Das PapierTheater Nr.19                           SEITE 2                        Dezember 2010

Interview

Ein Kasten Lebensfreude

Uwe Warrach zu Besuch bei Inge Severin

 

 



Sagen Sie bitte noch etwas zu Ihrer Maltechnik.


Mit Stift gezeichnet, dann mit Aquarellfarben coloriert. Das war ja sowieso meine Technik. Aber es besteht natürlich ein großer Unterschied zwischen einem normalen Bild und der Farbgebung für die Bühne. Mein Mann hat zuletzt mit dem Computer „gemalt“, das war sehr beeindruckend, aber für mich ist das nicht das Richtige.

Fisch zu Viert

Fisch zu viert


Ihre Stückauswahl: Peter und der Wolf, Karneval der Tiere, Der Feuervogel, Carmen, Die Liebe zu den drei Orangen und Blaubart zeigt, dass Sie oft Musik eingesetzt haben. War sie sogar der Auslöser für bestimmte Werke? Oder eher Zutat?
 
Wir waren immer an Theater und Musik interessiert. Als wir die Schallplatte Peter und der Wolf hörten, gelesen von Mathias Wieman, wussten wir, dass wir es machen wollten. Ähnlich erging es uns mit Loriots Aufnahme vom Karneval der Tiere. In unserer Carmen-Parodie ist die Musik natürlich ganz wichtig, obwohl die Geschichte ziemlich verändert ist, Carmen ist eine Tonne von 300 Pfund. Übrigens reckt der Damenchor bei den hohen Tönen die Hälse, was sehr gut ankam. Auch in anderen Aufführungen haben wir Musik eingesetzt, so bei Das Feuerzeug. Anregung konnte auch woanders her kommen, wie bei Fisch zu viert, ein Krimi-Lustspiel, das wir in Berlin gesehen hatten. Oder ein Buch wie Das Gespenst von Canterville, kennengelernt im Lesekreis- Sie sehen da oben einen Stapel Reclamhefte, der stammt noch daher. Bei diesem Stück holten wir uns die Musik von Benjamin Britten.

Bei so viel Musik bedarf es in der Regel eines Soundtracks. Haben Sie den auch selbst gemacht?

Natürlich. Ganz einfach war es ja, nach den Schallplatten von Peter und der Wolf und Karneval der Tiere zu spielen. Schwieriger war es, wenn wir eigene Texte hatten. Die wurden mit verteilten Rollen gelesen, in der Familie oder mit den Leuten aus dem Lesekreis, und auf Tonband aufgenommen. Das zu tun war allein schon herrlich und hat viel Freude bereitet. Dazu kam dann die Musik.

Karneval der Tiere

Karneval der Tiere


Die Idee war also da. Und wie ging es der Reihe nach weiter mit der Inszenierung?

Das weiß ich gar nicht mehr so genau. Bilder habe ich immer im Kopf. Meistens entwickelten Handlung und Darstellung sich daraus, manchmal kamen aber auch Bilder aus der Musik. Bühnentechnik und Bühnenbilder entstanden parallel. In diesem Zimmer hier hat mein Mann gewerkelt,  nebenan habe ich gezeichnet. Und wir haben uns gegenseitig auf Ideen gebracht. Zum Beispiel fanden wir es nicht nett, Blaubart am Schluss umzubringen. Wir stellten ihn hinter eine Wand, man hörte ein Messer wetzen, dann kehrte er zurück - ohne seinen blauen Bart, das heißt ohne seine Macht. Auch wollten wir immer Neues machen, wie in unserem letzten Stück, Bilder einer Ausstellung. Da haben wir zu der Musik von Mussorgsky Bilder gezeigt, ohne action.

Auch wenn Sie nicht mehr spielen, sehen Sie sich ja gerne nach wie vor Papiertheateraufführungen an- haben Sie bestimmte Vorlieben?

Ja, vor allem Horst Römer. Er macht ja auch alles selbst. Dann die Schwedinnen. Auch Poulter mag ich sehr, aus demselben Grund und weil er ohne Perfektionismus starke Wirkungen erzielt.

Inge Severin zeigt mir nun ihre Figurinenentwürfe und die Bücher aus dem Kasten. Das ist das Gesamtwerk, sagt sie, ich habe es gemacht, als ich Abschied nehmen musste, von meinem Mann und unserem gemeinsamen Spiel. Er hat es noch gesehen, als er schon sehr krank war. Es war ja Teil unseres Lebens geworden, eines sehr glücklichen Teils. Für die Trauerfeier hatten wir etwas aus dem Karneval der Tiere ausgewählt.
Kurz bevor ich gehe, sagt sie noch etwas: Ich fühlte mich nicht gesund genug, um in diesem Jahr das Papiertheatertreffen zu besuchen. Aber ich habe mich sehr gefreut, dass mich viele von den „alten Spielern“ besucht und nicht vergessen haben. Das hat sehr gut getan.
Als ich wieder im Auto sitze und nach Hause fahre, denke ich: Mir hat dieser Nachmittag auch sehr viel gegeben.

Blaubart

Blick ins „Blaubart“-Buch



 


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Das PapierTheater Nr.19                           SEITE 3                     Dezember 2010  

Weihnachtsgedichteaufsageservice der Zeitung DAS PAPIERTHEATER

Stimmen in der Nacht der Nächte

von Hans-Jürgen Gesche

mit einem Bild aus der Sammlung Christian Reuter

 

 

Früher, lange vor der Wende,
konnten Tiere menschlich reden.
Das erzählt uns die Legende.
Und wie einst im Garten Eden,

gültig nur für eine Stunde
und nur in der Nacht der NächteWeihnachten
punktgenau auf die Sekunde
öffnet das termingerechte

Fenster. Und der Stunde Gunst
nütz’ ich wie in alten Tagen:
durch der Tiere Redekunst
ihre Herkunft zu erfragen.

„Warum habt ihr hier im Stalle
einen Esel und �nen Ochsen,
die wie vor dem Sündenfalle
räkeln sich in warmen Boxen?

Wo sind Lamas, wo Kamele,
wo sind Ziegen an der Krippe?
Wo ich Schweine nicht empfehle-
Schweine haben Schweinegrippe.“

Doch kaum hatte ich begonnen,
spricht mit neuer Rednergabe
unser Öchslein, ruhig, besonnen,
so wie ich’s verstanden habe:

„In der Bibel beim Propheten
bei Jesaja gleich ganz vorne
hört den Esel man trompeten,
da bin ich mit meinem Horne:

„denn ein Ochs kennt seinen Herrn,
und ein Esel kennt die Krippe
seines Herrn ob nah ob fern,“
und bekaut die Unterlippe.

Ich wollt Manches noch erfragen,
doch die beiden blieben stumm,
dachten noch an Kopenhagen,
und die Stunde Null war um.

Früher, in der Nacht der Nächte,
so erzählt mein Urgroßvater,
(ob ich gar nicht daran dächte)
konnten beim Papiertheater
so wie einst im Garten Eden
punktgenau auf die Sekunde
alle Figurinen reden-
undsoheiterimmerweiter.

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