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Editorial

Zum Start der Web-Zeitung gab es bereits viele Reaktionen: Lob, kritische Anmerkungen, Korrekturen, Anregungen. An dieser Stelle möchten wir uns für das Interesse bedanken und dazu auffordern, weiter am Entwicklungsprozess teilzunehmen.

Es gab einige Frustration bei dem Versuch, die vorliegende Web-Zeitung auszudrucken: tatsächlich ist sie für den Bildschirm gestaltet.

Die Redaktion

 

 

 

 

 

 

 

Figuren aus der Grabbelkiste
von Mary-Ann und Sven-Erik Olsen

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

INHALT – Nr. 1 – Januar 2007 

Zauber der Kulissen – Uwe Warrach
über das Symposium in Meinigen Seite 2

O-Ton: „Kinder-Dramen“ Seite 3

Papiertheater im Klassenzimmer – Erfahrungsbericht von Irmela Kopp Seite 4

Scholz und Vorurteil – Uwe Warrachs ungehaltener Einspruch Seite 5

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Das PapierTheater Nr.1                        SEITE 2                        Januar 2007

Symposium in Meinigen

Zauber der Kulissen

Forum PapierTheater wandelt auf historischen Bühnen

Von Uwe Warrach

 

Ausstellungsplakat

Ausstellungsplakat

 

Ein bisschen ist von jener Spitzwegschen Beschaulichkeit, die ich da heraus höre, auf Markt und Gassen, auf Giebeln und Dächern geblieben, hat auch die sozialistischen Fortschritte überlebt und liegt wieder herausgeputzt unter dem Besucher, der vom Schloss Friedenstein auf die Stadt hinunter schaut.

Das Schloss beherbergt ein Theater von 1683, das mehrfach umgebaut und renoviert wurde und heißt seit geraumer Zeit „Ekhof-Theater“. Es wartet mit zumindest drei Extras auf: es ist das älteste, noch bespielte Theater Deutschlands, gibt Stücke des 18. Jahrhunderts in der damals gedachten Form und ist noch niemals abgebrannt. Über die Baugeschichte und die Vorgeschichte des Theaters als Ballsaal der Herzöge von Sachsen-Gotha wird sehr anschaulich und lebendig in Schriften berichtet, die im Schloss-Shop erhältlich sind; uns interessiert vor allem das Theater, das mit der Reform des deutschen Schauspielwesens durch den Schauspieler und Theatermacher Conrad Ekhof begann.

Ekhof, als Sohn eines Hamburger Stadtsoldaten am 12. August 1720 geboren, war Zeitgenosse der legendären Prinzipalin Caroline Neuber („die Neuberin“, 1697–1760), arbeitete mit dem in Hamburg tätigen Gotthold Ephraim Lessing (1729–1781) eng zusammen und hatte in Weimar und Gotha die Herzogin Anna Amalia von Sachsen-Weimar und deren Begleiter Johann Wolfgang von Goethe unter seinen Zuschauern.

 

Ekhof-Theater

Zuschauerraum des Ekhof-Theaters
(zum VergrÖssern auf das Bild Klicken)
Foto Beyer

 

Als ich den Theatersaal zum ersten Mal betrat, hatte ich sofort die Assoziation zum Papiertheater. Nein, so klein wie unsere Wohnzimmertischbühne ist es natürlich nicht, dennoch handlich, vor allem ist es dieser Stil, das vertraute Rot-Gold-Creme, die liebevolle Detailarbeit an Vorhang, Decke, Logen und Leuchtern, alles auf das Feierlich-Freundliche eines „erhebenden“ Theaterabends ausgerichtet. Auf Rang und Logen knacken und knarren die Fußbodenbretter; man wird sich bei der Aufführung nicht bewegen dürfen.

Die Bühne mit einem antiken Säulenmotiv wirkt vom Zuschauerraum, ja selbst noch von der ersten Reihe her verblüffend tief, was ein vornehmlicher Zug des Barocktheaters war, dem mehr an der Illusion lag als an Inhalten. Perspektivische Anordnungen und Tricks standen im Vordergrund.

Da merkt der Papiertheatermacher auf und ist ganz glücklich, wenn er auf die Bühne darf. Hier nun kann ihn das Gefühl ankommen, man habe ihn zur Figurine verkleinert, und er wandle nun zwischen den roh gezimmerten und geleimten Balken und Platten seines eigenen Bühnenhauses. Nein, das ist auch ein schiefes Bild, denn so einfach getischlert, wie es auf den ersten Blick hinter die Kulissen wirkt, so präzis sind doch Technik und Takelage, wie auf einem zuverlässigen Schiff. Über allerlei hölzernes Räderwerk werden Prospekte und Soffitten herunter- und hinauf bewegt, denn das Barocktheater liebte fliegende Götterkutschen, ausbrechende Vulkane, Unwetter, Flugmaschinen und herabschwebende Paradiese. Für seine Bühnenzaubereien verlangte es schnelle Umbauten und Verwandlungen.

 

Ekhof-Theater

BÜhne des Ekhof-Theaters
(zum VergrÖssern auf das Bild Klicken)
Foto Ebhardt

 

Die Techniken dafür machte sich auch das klassische Theater zunutze. Allein das Beleuchtungsproblem: Es war eine finstere Welt damals, ohne Gas- oder Elektrolampen, geschweige Scheinwerfer. Die diversen Kerzen, Öl- und Petroleumleuchten bedrohten permanent ihre Umgebung aus Holz und Pappe, wallenden Kleidern und gepuderten Perücken. Auch mancher Papiertheaterspieler des 19. Jahrhunderts saß ja nach einer realistischen Darbietung von Feuersbrunst oder Kanonade vor einem Häufchen Asche, und dann war er noch gut dran, wenn es nur die Reste seiner Bühne und nicht die seines Hauses waren. Doch auch mit den damaligen Mitteln gelangen raffinierte Beleuchtungstricks. Um buntes Licht zu schaffen, stellte man vor die Leuchtmittel Gläser, die mit farbigen Flüssigkeiten gefüllt waren.

Das eigentliche technische Wunderwerk aber befand und befindet sich noch unter der Bühne. In gebückter oder kriechender Haltung kann man hier das „andere Ende“ des Theaterzaubers besichtigen und, vor allem, bedienen. Rund ein Dutzend Leute schoben, zogen und drehten an den Kurbeln, Schlitten und Rädern, um auf der Bühne erstaunliche Fahrbewegungen, Bildwechsel und andere Illusionen auszulösen. Auf einer mit Leinen bespannten Trommel durften wir Wind machen, auf einer Art geschlossener, vertikaler Kegelbahn ein Donnerwetter.

Noch heute spielt man hier, vor bis zu 200 Zuschauern, von Mai bis Oktober etwa dreißig mal, überwiegend Vorklassik und Klassik. „Dabei soll aus dem reichen Repertoire der Ekhof-Zeit geschöpft werden, um das Lebensgefühl der galanten Zeit wiedererstehen zu lassen“, wie es in der Schrift „Barocker Bühnenzauber – Das Ekhof-Theater in Gotha“ von Elisabeth Dobritzsch heißt, der Museumsdirektorin, der wir die interessante Führung verdanken und der an dieser Stelle noch einmal sehr herzlich gedankt sei, ebenso wie Herrn Volker Kern, dem Leiter des Theatermuseums Meiningen.

 

Weitere Literatur

Hans Knudsen, „Deutsche Theatergeschichte“; Stuttgart 1959

„Zauberwelt der Kulisse am Meininger Hoftheater“; Neu-Ulm 1991

Elisabeth Dobritzsch, „Barocke Zauberbühne – Das Ekhof-Theater
im Schloß Friedenstein Gotha“; Hain-Verlag, Weimar, 2004

www.stiftungfriedenstein.de

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Das PapierTheater Nr.1                        SEITE 3                       Januar 2007

O-Ton

Kinder-Dramen

aus der Mährchen- und Sagen-Welt

zur Darstellung

auf einem Puppentheater
und im Familienkreise.

 

Erstes Bändchen.
Königsberg.
Bei Theodor Theile.
1845.

 

Kinderdramen

 

Kinder-Dramen

 

 

lassen. Das dürfte auch besser zu den nebelhaften Umrissen dieser Sage passen, als bunte Puppen.≠

So mögen denn diese heitern und leichten Phantasiegebilde der Jugend recht viele Freude und zugleich auch manchen Nutzen gewähren!

Am Neujahrs-Tage 1845.

Der Verfasser.

 

 

Kinder-Dramen

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Das PapierTheater Nr.1                        SEITE 4                        Januar 2007

Papiertheater im Klassenzimmer

Bühnen-Freundschaft

Irmela Kopp berichtet über ihr Projekt
in einer Grundschul-Klasse mit hohem Migrantenanteil.

 

Kartonbühne

KartonbÜhne  – vorgeklebtes Proszenium; alle Bilder: Irmela Kopp

 

Das Theater ist fast fertig, doch es fehlen noch der Spielboden und die Akteure.
Der Spielboden ist wichtig, denn der Karton bietet keine ebene Fläche, und die filigranen Papierpuppen kippen leicht um. Wir nehmen dafür ein Küchenbrett oder drehen ein Tablett um, vorausgesetzt die Größe ist passend. Wenn nicht, muss ein Weichfaserbrett zugeschnitten werden.

Der schwierigste Teil kommt jetzt: die Puppe. Lassen Sie die Kinder ihre Figur gleich auf Fotokarton malen, damit stabile Figuren entstehen. Lange, dünne Beine müssen vermieden werden, es sei denn, sie haben ein großes Stück Fußboden hinter sich oder eine Rasenfläche (z.B. Fußballer) Lange Prinzessinnenröcke sind dagegen günstig. Ist die Figur ausgeschnitten, wird eine Vierkantleiste von mindestens 35–40 cm Länge
An die Figur geklebt. Achten Sie hierbei auf Akkuratesse, sonst lässt sich die Figur nicht auf dem Bühnenboden hin und her schieben. Bei großen Puppen muss oft vorne noch ein kleines Stück Vierkantholz vorgeklebt werden, da sie ihrer Größe wegen leicht nach vorne überkippt.

 

Der rote Vorhang

Der rote Vorhang

 

Zurück zu unserem Projekt. Manche Kinder wussten ganz genau, wie ihre Puppe aussehen sollte, aber unser Thema war „Freundschaft“ und deswegen sollte jeder
Schüler den Freund oder die Freundin darstellen mit dem oder der das Theater erarbeitet wurde. Da gab es viel Gemecker: „Das kann ich nicht“ oder „Soll ich das etwa sein?“ Ich fragte die Schüler ob sie ein Foto von sich mitbringen könnten. Der Kopf vom  Foto wurde auf die Figur geklebt. Damit stimmte die Identität wieder und alle lachten.
Und dann wurde gespielt. Jedes Team präsentierte die eigene Bühne und spielte vor der Klasse „seine Geschichte“. Die Geschichte ihrer Freundschaft mit den Freuden, Zerwürfnissen und ihrer Versöhnung. Die Jungen glänzten auch mit Erfolgen auf dem Fußballplatz oder flogen gleich zum Mond.

 

Auf dem Mond

Auf dem Mond

 

Im Deutschunterricht können andere Inhalte erarbeitet werden, aber wie mir die Lehrerin  berichtete, spielten die Kinder  am liebsten – auch vor den Eltern am Elterntag – ihre Freundschaftsgeschichte.
Sehr viel später erfuhr ich, dass die Lehrerin bei Streitereien in der Klasse die Kontrahenten zu zweit zum Papiertheater schickte und der Streit über die Puppen verbal ausgetragen werden musste. Das war und ist eine große Anforderung an ein Kind, das lieber in Wut und Zorn seine Fäuste einsetzen würde. Bei diesem „Theaterdonner“ nahm die ganze Klasse Anteil und es gab gespielte Variationen, die schließlich zur Befriedung führten.
Über diesen Bericht habe ich mich persönlich sehr gefreut, zeigt es doch, welch pädagogischer Wert dem Papiertheater inne wohnt.

Dieses ist eine Art, ein Papiertheater mit wenig Mitteln herzustellen. Für den Auftritt der Figurinen nenne ich noch ein anderes Beispiel. Der Bühnenboden besteht aus aufgeklebten  Holzleisten. Zwischen den Leisten wird ein Schlitz frei gelassen, in den stabile Pappstreifen eingeführt werden, die auf diese Weise hin- und hergeschoben werden können.

Die agierende Papierfigur ist auf einen der Pappstreifen aufgeklebt. Jetzt können auch viele Puppen bzw. Schauspieler auftreten, weil jede ihren eigenen Pappstreifen hat und ein Schlitz im Bühnenboden ganz für sie bereit steht.

 

Freundschaft

Freundschaft

 

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Das PapierTheater Nr.1                        SEITE 5                       Januar 2007

Kommentar

Scholz und Vorurteil

Ungehaltener Einspruch während der Papiertheater-Ausstellung
„Bühnenzauber“ im Stadtmuseum Esslingen

Von Uwe Warrach

 

Pollockbühne

Ausstellungs-Stück (Quelle: Germanisches Nationalmuseum Nürnberg)

 

‚Reineke Fuchs‘ würde (semi-)professionell gehuscht und gesprochen, das ‚Ballett The Silver Palace‘ von geübten Spielern bewegt und mit Musik unterlegt, oder hier: ‚In achtzig Tagen um die Welt‘ mit schnell wechselnden Kulissen dargeboten, ‚Robinson Crusoe‘ in seinen Dschungelbildern, na und all das andere – da würden Sie sehen, wie diese Bühnen einen verzaubern können. Die eine oder andere Figurine wirkt, richtig eingesetzt und angestrahlt, lebendiger als mancher leibhaftige Opernsänger. Kinder gehen übrigens ganz anders damit um, ja, trotz Computerspielen und Gameboys – ich habe das gerade erlebt: wie sie (sieben und elf) zum ersten Mal Papiertheater sahen, danach selber probierten und erst nach langem versunkenem Spiel nur mit einem Eis aus meinem Kellertheater gelockt werden konnten.“ –

„Aber“, so hätten mir die Damen vielleicht entgegen gehalten, „Sie sehen doch, dass kaum jemand anderes her findet als wir älteren Semester, die nur eben kein Museum auslassen, und wo sind denn Ihre Kinder? Im übrigen steht es doch auf der Tafel am Eingang: das Papiertheater habe seine große Bedeutung bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts gehabt, heute werde es nur von einer kleinen Schar von Sammlern und Spielern gepflegt- einer kleinen Schar!“

Ja, das steht da wirklich. Aber was heißt „klein“? Anderthalb tausend Besucher in Preetz, internationale Bühnen, sogar aus Übersee, Festivals auch anderswo. Davon erfährt der Besucher nichts. Aber hier, hier fällt mir noch was auf, „meine Damen“, hätte ich ihnen nachrufen sollen, „das wird Ihnen gefallen, hier auf dem Faltblatt, ich zitiere: ‚Opern und Schauspiele des Papiertheaters vermittelten nebenbei klassisches Bildungsgut und gesellschaftlich akzeptiertes Verhalten‘. Na, ist das nichts?“

Jedoch wieder: wieso „vermittelten“? Könnte es nicht besser heißen: „vermitteln“? Warum begeben die Aussteller selbst sich so sehr in die Vergangenheit, dass es wie eine Verabschiedung aussieht? Nein, ganz so ist es auch wiederum nicht, denn neun Veranstaltungen für Erwachsene und vier für Kinder begleiten die Ausstellung, von denen freilich nur noch fünf übrig sind.

 

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